Ärztestreik. Hausärztlicher Notdienst. Viele Patienten. Rezeptwünsche. Aber vor allem AUs. Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen. An diesem ersten schönen Tag im Jahr.
Dazwischen ein älteres Paar. Gut situiert. Gut gekleidet. Allerdings ist sie eher wortkarg. Sieht irgendwie zu “aufgemacht” aus.
“Nur ganz schnell dazwischen, wir brauchen ein Rezept. Dauert nicht lange.” Ach so?
Worum gehts denn? Er nennt den Namen. “Leider ist die Packung gerade heute zuende gegangen. Schreiben Sie doch bitte eine große auf.” sagt er ganz freundlich.
Leider hat der Arzt das schon zu oft erlebt. Daß er doch bitte eben eine große Packung Schmerzmittel, Hustenblocker, Schlafmittel, Sedativa, Antidepressiva aufschreiben möge. Denn man fahre morgen in den Urlaub. Oder der Vater litte so unter Schmerzen. Man sei bestohlen worden. Und gerade heute habe der Arzt ja geschlossen.
“Temazepam” ist ein suchtauslösendes Beruhigungsmittel, daß man jetzt nicht verschreiben werde, daß wahrscheinlich auch der Haus-Neurologe nicht aufschreiben würde, erklärt der Arzt. Das wissen die beiden natürlich. Aber sie empören sich. Wie immer. Freundlich fangen solche Gespräche an. Zu freundlich vielleicht. Später Empörung. Beschimpfungen manchmal. Was man denn für ein unmenschlicher Arzt sei. Ob man keinen Eid geschworden habe zu helfen. Wessen man die Bittsteller wohl verdächtigen würde. Ein Unding, das man melden werde. Unverschämte Frechheit.
Meist beruhigt sich die Situation wieder, wenn man einen Kompromiss anbietet. Eine Tablette Oxazepam für die Nacht, zum Beispiel. Wieder freundlich: Ob man nicht gleich zwei haben könne.
Diesmal hat sich der Besuch für die Beiden nicht gelohnt. Aber man kanns ja später nochmal versuchen. Oder nächstes Wochenende.
Irgendwann sitzt wieder ein gutgläubiger Anfänger hier.