Fluch und Segen des Fortschritts – das Dilemma der EbM in agilen Forschungsfeldern

In einem Editorial zu HIV-Behandlung im aktuellen NEJM beschreiben Hirschel und Calmy das Problem der Nutzenbewertung bzw. Wissensgenerierung in sich schnell ändernden Bereichen, wie Onkologie und vor allem HIV:

…Phase 4 studies that compare treatment strategies are desirable, but they are difficult to do. In a rapidly moving field such as HIV therapy, what is the “reference treatment”? Trials have to be large and continue for a long time, and patients may vote with their feet and refuse to continue with a therapy that they judge, rightly or wrongly, to be inferior to the latest miracle drug. And large trials that continue for a long time are expensive. Drug companies have little to gain, and much to lose, from comparing one of their already marketed drugs with another that may be better….

Die Nutzenbewertung ist schwierig, wenn es keinen klaren Standard zum Vergleich gibt (es geht ja in der Regel um Fragestellungen, für die es Behandlungsmöglichkeiten gibt, also wo ein Placebovergleich fragwürdig ist) – und schlimmer noch: die Wissensgenerierung kann den neuen Trends nicht mehr hinterherkommen. Harte klinische Endpunkte erfordern meist lange dauernde Studien – deren Fragestellung ist am Ende aber vielleicht nicht mehr interessant. Kein Wunder, dass die Pharmaindustrie wenig geneigt ist, so zu forschen. Mit Patienten, die Zugang zu Informationen über Neuheiten in der Medizin haben, wird es auch schwierig, diese in einer entsprechenden Studie zu halten – zu groß sind die Heilsversprechen des Neuen.

Ein Möglicher Ansatz sind die Zulassungsbehörden: nur sie können Firmen zu unbequemer Forschung zwingen. Sie müssen Endpunktstudien erzwingen und auch deren Durchführung überwachen (bekanntermaßen läßt man sich hier gerne viel Zeit). Begrenzt kann auch öffentlich finanzierte klinische Forschung helfen (ein Beispiel wäre die Bremer VIBERA-Studie).

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