Heute ist Ärzteprotesttag in Berlin. Wenn man die Nachrichtenticker liest, wird man kaum eine Meldung darüber finden. Mich wundert das nicht. Viel wird dort nicht los sein. Denn die niedergelassenen Ärzte werden kaum wieder einmal ihre Praxis schließen, nur um sich den Anschein zu geben, dass 2.5 Milliarden Erhöhung des Honorartopfes ihnen immer noch nicht reichen.
Mir reicht es jedenfalls, aber in einem anderen Sinn. Zum ersten Mal nehme ich nicht an einer der Protestaktionen teil, obwohl sie keinen Deut von ihrer Notwendigkeit verloren haben. Aber! – mir als Hausarzt, und viele meiner Kollegen werden ebenso denken, geht es keineswegs allein um das Geld. Seit Wochen und Monaten hört man aber nichts anderes mehr aus der Politik, den Krankenkassen und von unseren verschiedenen Ärztevertretern.
Uns Ärzten an der Basis wäre etwas anderes noch viel wichtiger:
Die Entbürokratisierung der Hausarztpraxis.
Aber das Gegenteil geschieht. Immermehr Formulare, Vorschriften, Statistiken, Anfragen, Anträge, Verträge, Gutachten, Bescheinigungen belästigen den Arzt in seiner täglichen Arbeit. Dazu kommen Androhungen von Honorarkürzungen bei Überziehung der verschiedenen Budgets für Medikamente und Heilmittel, bis hin zu den Fällen, in denen aus den Drohungen Ernst wird. Dazu kommen Kürzungen der Honorarabrechnungen wegen falschen oder überhöhten Abrechnens. Schnell wird man hier mal in die Betrüger-Ecke geschoben. Niemand aber kommt auf die Idee, dass die Ärzte ihr eigenes Abrechnungssystem vielleicht nicht mehr verstehen.
Ärzte verstehen ihre Abrechnung schon lange nicht mehr!
Eine Umfrage unter uns niedergelassenen Ärzten beispielsweise mit dem Thema: „Wie funktioniert Ihre Laborabrechnung im Einzelnen?“ würde ein fatales Ergebnis bringen. Ich bin sicher nicht einmal zehn Prozent der niedergelassenen Ärzte könnten diesen kleinen Teil ihrer Gesamtabrechnung richtig erklären. Und dieser Teil wird jetzt zum 1. Oktober reformiert und glauben Sie nicht, dass es einfacher wird. Mehr Formularwirtschaft, undurchsichtigere Abrechnungen, höherer zeitlicher Aufwand werden die Folgen sein.
Die Forderung nach mehr Honorar würde ich persönlich ganz hinten anstellen. Wir Hausärzte bekommen z.Zt. etwa 45 Euro pro Quartal pro Patient. Von mir aus könnte dieser Betrag noch gekürzt werden, wenn er als Pauschale jedes Quartal ohne bürokratischen Aufwand käme. Und zwar in dem Quartal, in dem ich dieses Geld erwirtschafte und nicht erst ein halbes Jahr später.
Wenn aber vom bürokratischen Aufwand her alles so bleibt wie es ist, bin ich auch für die Erhöhung der ärztlichen Honorare, und zwar um hundert Prozent – als Schmerzensgeld.