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Wundersalbe, die II. (Update)
“Medizin und Wahnsinn” heißt die Kolumne von Werner Bartens, der als “Leitender Redakteur” im Wissenschaftsressort der “Süddeutschen Zeitung” fungiert. Liest man seinen jüngsten Beitrag im “SZ-Magazin”, dann kann man diesem Titel eine bislang ungeahnte programmatische Bedeutung zusprechen.
Denn wer nach dem Regividerm-Skandal das Thema “Wundersalben” medial vorerst für ausgereizt gehalten hat, hat nicht mit Werner Bartens gerechnet. Und der setzt sogar noch einen drauf. Denn gegenüber den Wunderwirkungen der von Bartens gefeierten neuen Wundersalbe mutet der Anspruch ihres rosafarbenen Pendants, die Hautkrankheiten Neurodermitis und Psoriasis nebenwirkungsfrei zu heilen, geradezu bescheiden an.
Die neue Wundermixtur kann viel mehr: Sie hilft “Unfallopfern, Diabetikern, Verbrennungsopfern, Tumorpatienten, womöglich auch Nervenkranken und Menschen mit Infarkt oder Schlaganfall”. Und Bartens berichtet mit einer Ehrfurcht und Bewunderung über den Wundersalbenerfinder Augustinus Bader, gegen die sich die einschlägigen Ausführungen des Neuen Testaments (“Und Jesus zog umher in ganz Galiläa […] und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk”) wie nüchterner medizinischer Fachjournalismus ausnehmen:
Zehn Tage nach dem Unfall in der Badewanne soll die Operation stattfinden, bei der das tote Gewebe beseitigt wird. Doch nach zehn Tagen gibt es für die Ärzte nicht mehr viel zu tun. Die Füße von Harley Sophia sind komplett und ohne Komplikationen zugeheilt, nur die besagte Stelle zwischen dem dritten und dem vierten Zeh am rechten Fuß weist Narben auf.
Bartens schwärmt weiter:
Klar, der “blonde Bayer aus Augsburg”, von dem die SZ ein so tolles Foto gemacht hat, ist in seinem tiefsten Inneren ein bescheidener Mann. Erst jetzt, wo seine Ergebnisse “fachlich abgesichert” sind, geht er damit an die Öffentlichkeit. Bader, der selbstlose und zurückhaltende Heiler, der nichts verspricht, was er nicht halten kann. Bartens, der intime Kenner der Szene, mit dessen Hilfe die sensationellen Ergebnisse der wirklich großen Wissenschaftler erstmals an die Öffentlichkeit gelangen.
Dass schon vor fünf Jahren, am 13.5.2005, eine Pressemitteilung zu einer von Augustinus Bader ins Leben gerufenen Konferenz unter der Überschrift “Narbenfreie Heilung für Verbrennungsopfer” ähnlich wundersame Erfolge verlautbart hat, soll den Eindruck nicht trüben. Sicher nur ein Versehen der Pressestelle:
Stichwort “fachlich abgesichert”. Neben der wundersamen Fußheilung berichtet Bartens noch von einer Handvoll weiterer “Heilversuche” mit dem Wundermittel:
– Bei einem “ehemaligen” Kraftsportler heilte es eine Hüftkopfnekrose (“Inzwischen stemmt der Mann wieder Gewichte”)
– Bei einem Kind, das sich mit einer “giftigen Substanz” die Speiseröhre verätzt hatte, injizierte Bader das Mittel in die Speiseröhre (“Das Mädchen wurde gesund und kann wieder normal essen und trinken.”)
– Der Berner Sennenhund von Augustinus Bader vergiftete sich mit Schneckenkorn, woraufhin sein Herrchen sich kühn zum Tierversuch entschloss. (“Sechs Stunden später erwachte der Hund aus seinem Dämmerschlaf, zwei Tage später war er wieder zu Hause, wo er bis heute mit den Kindern spielt.”)
– Bei einem Bootsunfall verletzte sich ein Freund von Bader, eine Querschnittlähmung “drohte”. Bader “ließ ihm seine Wachstumsfaktoren spritzen”. (“der Freund bewegt sich heute völlig normal”)
– Und schließlich eine MS-Patientin, bei der nicht nur eine große Wunde heilte, sondern die auch ihr gelähmtes Bein wieder bewegen kann. (Die Patientin “rief neulich begeistert bei Bader an”.)
Bartens ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass nicht alle seine Leser mit solchen Geschichten zu überzeugen sind. Schließlich verfügt ein substanzieller Teil des Personals der katholischen Kirche und auch mancher Provinzheilpraktiker über ein vergleichbares Inventar an Heilerfolgen. Aber Bartens weiß mehr:
Arbeitet man sich durch die Publikationsliste von Augustinus Bader, so findet man in der Tat zahlreiche Veröffentlichungen. Viele behandeln die Vermehrung von Leberzellen in Bioreaktoren, ein eher dröges Thema. Langfristiges Ziel solcherlei Forschung ist es etwa, Leberzellen außerhalb des Körpers zu vermehren, um das so entstehende Gewebe außerhalb oder gar innerhalb des Körpers zum Ersatz von Leberfunktionen einzusetzen.
Von seinem Wundermittel konnte ich in der Datenbank PubMed nichts finden. Tierversuche mit dem Mittel, dem logischen und ethisch gebotenen Zwischenschritt auf dem Weg zum Einsatz am Patienten? Dokumentierte Fallberichte bei Menschen, wie sie bei derart sensationellen Resultaten üblicherweise publiziert werden? Fehlanzeige. Auch die Publikationsliste auf der Home-Page des Professors gibt nach gründlicher Durchsicht keine entsprechenden Resultate her. Eine Anfrage der “Stationären Aufnahme” an Werner Bartens von Anfang dieser Woche zu den Literaturstellen, auf die er in seinem Artikel anspielt, blieb bis heute unbeantwortet.
Wie dem auch sei. In jedem Fall drängt sich der Eindruck auf, Augustinus Bader sei der Idee nicht ganz abgeneigt, mit seinem geheimnisvollen Heilverfahren ein wenig Geld zu verdienen. Bartens schreibt:
Diese geistreiche Wortschöpfung hat sich Bader in der Tat beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen, und zwar zunächst als Wort- und jüngst auch als Wort-Bild-Marke. Natürlich hat es sich auch die Domains “sanamander.com” und “sanamander.de” gesichert. Nicht er persönlich, aber eine Bionethos Alphacells GmbH, die in dem alten Herrenhaus in der Nähe von Leipzig residiert, das früher einmal eine Außenstelle des Leipziger Klinikums war, und das er mit seiner Familie bewohnt. Geschäftsführerin der Bionethos Alphacells GmbH ist eine Dr. Sabine Bader, vermutlich seine Ehefrau.
Die Bionethos Alphacells GmbH teilt sich Anschrift und Telefonnummer mit einem beeindruckenden Strauß an klangvoll benannten Firmen: Der Bionethos Holding GmbH (der Firmenname findet sich in zahlreichen Patentanmeldungen von Bader, sie wurde im April 2009 aufgelöst), der Bionethos Innovation GmbH, der Bionicor GmbH (aufgelöst im April 2009), der Genedrugs GmbH und der International Foundation Regenerative Medicine GmbH. Letztere dient als Veranstalter der von Bader ins Leben gerufene Konferenz zur “Regenerativen Medizin”. Augustius Bader selbst fungiert nur bei der Bionethos Innovation GmbH als Geschäftsführer; in den anderen Fällen findet sich der Name Dr. Sabine Bader.
Bei einer derartigen beruflichen Belastung verwundert es nicht, dass dem Professor bislang noch keine Zeit für klinische Studien mit seinem Wundermittel geblieben ist.
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Update, 25.5.: Rezension und Rezeption des Wunderheiler-Artikels (von Strappato)
Medizinblogger – eine besondere Art
Bloggen über Gesundheit und Medizin ist ein schweres Geschäft – zum Leidwesen einiger Blogger.
Neben den sprachlichen Anforderungen kommen noch fachliche und nicht zuletzt ethische hinzu. Dies sollte sich bei näherer Betrachtung erfolgreicher Angebote niederschlagen.
Für die englischsprachigen Medizinblogs kann dies aus einer Studie gefolgert werden, die kroatische Wissenschaftler im Journal of Medical Internet Research veröffentlicht haben. Die Forscher um Ivor Kovic befragten 80 Blogger, die auf englisch über Medizin bloggen. Bei einer Suche in Technorati entdeckten die Forscher, dass nur 5713 Blogs das Tag “Medicine” hatten und eine kurze Überprüfung ergab, dass bei einigen dies nicht mal entfernt mit dem Inhalt übereinstimmte. Daher sind in der Studie als Grundgesamtheit Blogs ausgewählt worden, die in Medgadget für die Medical Weblog Awards nominiert waren, die im handverlesenen Verzeichnis Medlogs oder bei Trusted.MD geführt sind oder Eingang in das Yahoo! Diretory gefunden haben. Also eine Auswahl, die Qualität versprach und reine copy-and-paste-Kommerzblogs oder SEO-Blogs, wie sie bei Gesundheitsthemen oft zu finden sind, ausschloss. Aber auch hier war die Anzahl von Blogleichen hoch. 46% der Blogs waren nicht mehr vorhanden oder inaktiv und das letzte Posting lag 1-2 Jahre zurück.
Ein paar Highlights:
- Die Blogger sind relativ alt im Verleich zu den bekannten Blogger-Statistiken. 78% sind über 30 Jahre alt.
- Sie sind gut ausgebildet. 71% haben einen Master- oder Doktorabschluss, 34% sind Ärzte.
- Sie sind Fachleute. 70% arbeiten im Gesundheitswesen oder Pharmazie, 54% haben schon wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht.
- Sie bloggen als Hobby. 80% bevorzugen es von zuhause zu bloggen, Geldverdienen mit Blogs oder Kontaktpflege spielt als Ziel kaum eine Rolle (soviel zum beklagten Thema Vernetzung), 25% bloggen unter einem Pseudonym.
- Die Blogs haben impact. Auf 66% sind andere Medien Aufmerksam geworden.
- Trotz des fachlichen Hintergrunds benötigt das Blog viel Zeit. Bei 42% sind dies 1-5 Stunden in der Woche, bei 36% sogar mehr als 6 Stunden pro Woche.
- Sie sind “Überzeugungstäter”. Hauptmotivation ist Wissen zu teilen (74%), andere zum Umdenken zu bewegen (56%) und andere zum Handeln zu bringen (48%).
- Zum in Deutschland beliebten Thema “Blogger vs. Journalisten” – Sie behandeln Informationen besser als Journalisten. 91% verlinken Originalquellen oft, 59% investieren oft extra Zeit zum Fach-Checking, 51% zitieren oft Personen oder Medien, 29% korregieren oft mögliche Fehler direkt. Wenn man die Antworten für “manchmal” dazunimmt, sind es jeweils über 90%.
Interessant ist, dass nur bei 59% der Blog in der Grundgesamtheit eine E-Mail-Adresse oder ein Kontaktformular angegeben war. Die Möglichkeit zum Kommentieren wird wohl von einem grossen Teil der Medizinblogger als ausreichend für die Kommunikation mit den Lesern angesehen.
Die Autoren stellten fest, dass sich die befragten Medizinblogger, wenn man es mit anderen wissenschaftlichen Blogger-Untersuchungen vergleicht, sehr von anderen Bloggern bei der Motivation fürs Bloggen und dem “impact” des Blogs ausserhalb der Blogosphäre unterscheiden.
Die Studie bestärkt meine Meinung, dass Bloggen über Medizin und Gesundheit ein hartes Stück Arbeit ist. Sozusagen die Elite der Blogger 😉
Wenn ich meinen Kommentar in der oben velinkten Diskussion beim Bloggott nochmals zitiere:
Die Ergebnisse als SlideShare-Präsentation.
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Aus einem anderen Blickwinkel: Für die Pharmaindustrie bedeutet dies, dass sie medizinische Blogs ernst nehmen muss. Das fachliche Wissen als auch die Motivation und die Vorgehensweise sprechen dafür, dass Medizinblogger im Gegensatz zu Masse der Medizinjournalisten nicht mit irreführenden Pressemitteilungen und aufgesexten Studiendaten überzeugt werden können.