Auf der Notaufnahme ist es oft spannend wenn man den Vorhang öffnet und die erkrankte Person zum ersten Mal sieht. Wie wenn man einen Mensch dauernd übers Telefon hört und sich ein Bild macht – und es zu Überraschungen kommt wenn sich dann ein völlig anderes Bild bietet.
Meistens läuft es so ab, dass sich die PatientInnen – im Idealfall – anmelden wenn sie zu uns auf die Notfallstation kommen. Entweder rufen sie selbst kurz an, oder die einweisende Person meldet sich vor Eintreffen der/des Erkrankten, also zum Beispiel die Hausarztpraxis. Auch die Ambulanz meldet sich kurz, wenn sie jemanden zu uns bringen. Auch wenn es nur 10 Minuten vor Eintreffen ist.
Aufjedenfall komme ich abends ins Spital zum Nachtdienst. Im Spätdienst war einiges los und mein Kollege übergibt mir eine Patientin, da noch einige Untersuchungen laufen. Er erzählt mir also kurz worum es geht – eine 41-jährige Patientin mit Bauchschmerzen seit fast einer Woche, die Blutbefunde wären bliblablubb, und dass sie jetzt noch ein CT bekommt. Kurz bevor er geht, sagt er noch:
“Achja, die Patientin ist übrigens so groß.” – und gibt seine Handflächen circa einen Meter auseinander.
Ich: “Wie? So breit?”
Er: “Nein. So groß. Und sie wiegt 26 Kilo.”
Ich: “Hast du vorhin nicht gesagt, dass die Patientin knapp über 40 ist?”
Er: “Osteogenesis imperfecta.”
Osteogenesis imperfecta ist die sogenannte “Glasknochenkrankheit”. Eine Erbkranktheit, bei der es zu Kleinwüchsigkeit und sehr zerbrechlichen Knochen kommt. Es gibt mehrere Formen mit unterschiedlichen Schweregraden. In dem Fall hatte die erwachsene Frau die Körpermaße einer Volksschülerin mit einem extrem deformiertem Skelett und daraus sehr schwierig zu definierenden Anatomie im Computertomogramm… Der Radiologie gab eine Raumforderung im Abdomen als eventuellen Tumor ab – im OP stellte sich dann heraus, dass es sich um die Gebärmutter handelte, die direkt unter der Leber lag. Thumbs up an alle KinderchirurgInnen – haben die alle zierliche Hände?