Kommen die Wehen in immer kürzerer Folge, muss sich die Schwangere entschließen. Ist noch Zeit, um zu Hause abzuwarten, oder sollte man lieber gleich ins Krankenhaus fahren?
Einmal dort eingetroffen, ist es mit der Entscheidungsfreiheit oft vorbei. Die Gebärende bekommt womöglich als Erstes einen Einlauf und wird an den Wehenschreiber angeschlossen. Geht es nicht zügig voran mit der Geburt, wird häufig die Fruchtblase eröffnet oder der Wehentropf zur Beschleunigung eingesetzt. Steigern sich bei einer so forcierten Geburt die Schmerzen ins Unerträgliche, folgt eine Periduralanästhesie, die sogenannte Rückenmarksnarkose.
Etliche Frauen sagen hinterher: "Es ist alles so gelaufen, wie ich es nicht wollte.
Dabei sind manche medizinische Prozeduren rund um die Geburt nicht nur unangenehm, sondern überflüssig. So widerlegte jetzt eine Auswertung von drei Studien die Mär, ein Einlauf zur Entleerung des Darms trage zur Erleichterung der Geburt bei (Cochrane Database of Systematic Reviews, Bd. 4). Weder verkürzt er die Wehendauer, noch gab es weniger Infektionen bei Müttern oder Neugeborenen als nach Geburten, bei denen aufs Klistier verzichtet wurde. In sehr seltenen Fällen kann es sogar zur Durchlöcherung des Darms mit anschließender Blutvergiftung kommen.
"Bei uns werden Einläufe nur in speziellen Fällen gemacht – wenn der Darm sehr voll ist, kann das ein Geburtshindernis sein. Dann sind Einläufe sinnvoll, nicht zur Einleitung, sagt Bernhard Hackelöer, Chef der geburtshilflichen Abteilung an der Asklepios-Klinik Barmbek in Hamburg. Als Routinemaßnahme sei die Prozedur aus der Mode gekommen.Nicht viel besser steht es um einen anderen Brauch im Kreißsaal: Die Blasensprengung wird zwar traditionell eingesetzt, um die Geburt zu beschleunigen, taugt dazu aber nicht, ergab eine weitere Studienauswertung der Cochrane Collaboration (Cochrane Database of Systematic Reviews, Bd. 4). Platzt die Fruchtblase nicht spätestens mit Beginn der Presswehen, lässt das viele Geburtshelfer nicht ruhen: Die Fruchtblase wird angestochen.
Die Natur richtet nicht alles
Schon 1756 beschrieb der englische Gynäkologe Thomas Denman, dass sich dadurch die Geburt einleiten oder der Ablauf verkürzen ließe. 150 Jahre später wird auch eine biochemische Erklärung für diese vermeintliche Wirkung nachgeliefert: Das Öffnen der Fruchtblase führe zur Ausschüttung der wehenfördernden Hormone Prostaglandin und Oxytozin, so die gängige Erklärung.
Das mag so plausibel sein wie der oft kolportierte Ratschlag, Sex kurz vor der Entbindung sei ein Mittel, die Geburt in Gang zu bringen. Hier werden ebenfalls Prostaglandine – aus der Spermienflüssigkeit – und die Anregung der Oxytozin-Produktion als Auslöser vermutet.
Es gibt jedoch keine Studie, die zuverlässig belegt, dass Sex kurz vor der Niederkunft die Wehen fördert, ergab ein Cochrane-Review schon 2001. Dieses Verfahren der Geburtseinleitung dürfte jedoch auch schwer zu standardisieren sein, merkten die Gutachter an.
Für die routinemäßige Blasensprengung fand sich jetzt keine bessere Begründung: Die Auswertung von 14 Studien brachte keinen Beleg dafür, dass die Öffnung der Fruchtblase das Kind schneller zur Welt kommen lässt. Auch ging es den Neugeborenen danach nicht besser als denen, die ohne solchen Eingriff geboren wurden. Dagegen gab es Hinweise darauf, dass nach der Blasensprengung häufiger ein Kaiserschnitt nötig wurde.
Erleichterung durch Dammschnitt?
Selten geworden ist die früher übliche Rasur der Schamhaare. Die Vorstellung, sie könne die Zahl der Infektionen nach einem Schnitt oder Riss senken, ließ sich in Studien nicht bestätigen. Zu den Prozeduren, die Gebärende oft erleiden müssen, gehört jedoch weiterhin der Dammschnitt. Er soll Geweberisse verhindern, sei einfacher zu nähen als diese und verursache weniger Schmerzen nach der Geburt, meinen jene, die routinemäßig zum Skalpell greifen. Auch komme es nach einem sauberen Schnitt seltener zur Schädigung des Beckenbodens, zu Inkontinenz oder Störungen des Sexuallebens.
lesen Sie den ganzen Artikel hier
Quelle: süddeutsche.de