Über Computertomogramm (CT) und Kernspintomogramm (MRT)
Im 1. Teil dieses Artikels haben wir uns mit den technischen Details der oben genannten Untersuchungstechniken beschäftigt. Heute wollen wir die Frage beantworten:
Kann eine Untersuchungsmethode zu genau sein?
Dazu ein eindeutiges Ja! Gerade die Genauigkeit der Untersuchungsmethode birgt eine Gefahr. Genauigkeit oder Intensität der Diagnostik kann geradezu ein Manko der modernen Medizin sein.
Das bedeutet: Ist eine Untersuchung äußerst präzise, weist das Ergebnis auf die geringste Abweichung vom Normalen hin. Nur, was ist das Normale?
Was ist krankhaft? Was ist behandlungsbedürftig? Was ist eine Variante der Natur? Vor allem zufällig entdeckte Nebenbefunde machen Arzt und in allererster Linie Patienten immermehr zu schaffen. In der modernen Medizin gilt, je genauer untersucht wird, desto mehr ist festzustellen, dass es eine anatomische und funktionelle Schablone für den menschlichen Körper nicht gibt.
Ein Beispiel: Ein Kniegelenk wird mittels MRT auf einen Riss im Innenmeniskus hin untersucht. Ergebnis: Der Meniskus ist in Ordnung. Es zeigen sich aber mehrere Knorpelunregelmäßigkeiten auf den Gelenkflächen, eine übermäßige Faltenbildung in der Gelenkhaut, ein alter Teileinriss im vorderen Kreuzband und eine Einblutung im Bereich des Innenbandes. Muss das Knie nun operiert werden oder nicht? Das MRT kann diese Frage nicht beantworten. Sie sollte, trotz aller Technik, noch immer mittels Anamnese (Befragung des Patienten nach Unfallhergang, Art und Heftigkeit der Beschwerden), Inspektion (Betrachten), Palpation (Abtasten) und funktioneller Untersuchung des Kniegelenkes entschieden werden. Ein operativer Eingriff ins Kniegelenk (womöglich ein überflüssiger) ist, neben der Verletzung auf dem Fußball- oder auf dem Tennisplatz, ein weiterer Schaden für das Gelenk. Häufig werden nicht mehr die Patienten operiert, sondern deren technische Befunde.
Ungleich dramatischer wird dieses Thema, wenn beispielsweise unklare oder unnormal dimensionierte Strukturen bei einem MRT des Kopfes gefunden werden. Glauben Sie nicht, dass es das nicht gibt. Ich habe vergrößerte Hirnanhangsdrüsen und ausgeweitete Hirnwasserräume gesehen, deren operative Korrektur anschließend weitaus größere Probleme bereitet haben als der Kopfschmerz zuvor, der wahrscheinlich andere Gründe gehabt hatte.
Moderne Diagnostik birgt auch Gefahren
Alles in allem bergen moderne Untersuchungsmethoden wie CT und MRT große Mankos. Mankos übrigens, die vielen medizinischen Untersuchungsmethoden innewohnen: das Manko der Gegenwart und das Manko des Statischen. Ein Untersuchungsergebnis in der „Röhre“ ist so aktuell wie der Zeitpunkt der Untersuchung und möglicherweise schon eine Minute später überholte Vergangenheit. Darüber hinaus sagt eine Untersuchung in der Röhre wenig bis nichts über die Funktionalität (Arbeit) eines Organs oder eines Gelenks aus.
Es ist wie bei einer Blutuntersuchung. Wenn Sie Ihr Blut fünf mal am Tag einem Generalcheck („einmal alles, bitte, Herr Doktor“) unterziehen lassen würden, bekämen Sie fünf Mal ein anderes Ergebnis. Die weißen Blutkörperchen haben eine Halbwertszeit von sechs Stunden, der Blutzucker eine von wenigen Sekunden, die Blutfette ändern sich im Tagesablauf, der Harnsäurewert nach den Mahlzeiten und, und, und.
Mit einem MRT ist es ähnlich. Ein einwandfreies MRT der Lunge sagt nichts darüber aus, ob Sie nicht eine Sekunde nach der Untersuchung eine Lungenembolie erleiden. Ein einwandfreies Ergebnis am Herzen bedeutet nicht, dass Sie nicht am gleichen Tage ein Herzinfarkt treffen kann.
Damit ist die Frage meines Patienten neulich in der Sprechstunde nach einem Ganzkörperscan eindeutig beantwortet. Trügerische Sicherheit einerseits und gefährliches Wissen um Nebenbefunde andererseits, sollten uns auf eine derartige Untersuchung verzichten lassen.
Dem besonderen Fall der Bandscheibe und ihren Erkrankungen widme ich einen Extrateil, den 3. Teil dieser Artikelserie.