Was heißt eigentlich… IGeL?

IGeL steht für „Individuelle Gesundheitsleistungen“.
Hinter dem wohlklingenden Kürzel mit der ebenso wohlklingenden Langversion verbirgt sich nichts anderes als die Möglichkeit für Ärzte, Kassenpatienten private Leistungen zu berechnen. Die offizielle Erklärung dafür lautet folgendermaßen:
Mit „Individuelle Gesundheitsleistungen“ sind Leistungen der Vorsorge- und Service-Medizin gemeint, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht bezahlt werden, da sie nicht zum Leistungskatalog der GKV gehören.
Solche Diagnose- und Behandlungsmethoden werden den Kassenpatienten zusätzlich angeboten und müssen bei Inanspruchnahme aus eigener Tasche bezahlt werden.
Wenige sinnvolle „Individuelle Gesundheitsleistungen“ stehen einer Fülle von unsinnigen Angeboten gegenüber. Patienten bekommen immermehr das nicht unberechtigte Gefühl, sie sollen abgezockt werden. Neuesten Umfragen zufolge, soll nicht zuletzt das ausufernde IGeL-Angebot Schuld am schwindenden Vertrauen in der Patienten- Arzt-Beziehung sein. Als langjähriger Hausarzt kann ich dieses Gefühl der Patienten verstehen.
Ein aktuelles Beispiel aus dem orthopädisch-chirurgischer Bereich sind die sogenannten Knorpelaufbauspritzen. Patienten mit Gelenkverschleiß und entsprechenden Schmerzen werden diese Spritzen immer häufiger angeboten. Vorzugsweise handelt es sich hierbei um ältere Patienten (wer sonst leidet schon unter Arthrose?). Aber gerade bei älteren Menschen ist diese Art der Spritzentherapie von höchst zweifelhaftem Wert. Wachstum von frischem Knorpel ist nichts, was im fortgeschrittenen Alter wahrscheinlich ist und die gespritzte Flüssigkeit selbst ist eher von kurzer Verweildauer im Gelenk. Nur zwei Parteien profitieren zu hundert Prozent von den „Knorpelaufbauspritzen“: die Hersteller und die verabreichenden Ärzte. Rechnungen bis zu 500 €uro und mehr sind hierbei keine Seltenheit. Neuerdings verkaufen meine Arztkollegen praktischerweise ein Gesamtpaket inklusive Ampullen und machen so zusätzlichen Gewinn.
Die Knorpelaufbauspritzen sind nur ein Beispiel von vielen. Aber selbstverständlich sind Patienten nicht dumm, ihnen fällt immer häufiger auf, wenn es scheinbar keine Alternativen zur IGeL-Therapie gibt. Denn schamlos werden die Selbstzahler-Therapien immer häufiger als allererste Variante angepriesen und nicht wie früher üblich als letzter Ausweg. So schwindet Vertrauen. Wenn wir Ärzte berechtigterweise auf Krankenkassen, Politik, Verwaltung und Pharmaindustrie herumhacken, sollten wir auch vor der eigenen Türe kehren.
Dem Hausarzt kommt hier eine besondere Schutzfunktion dem Patienten gegenüber zu. Er sollte guten Gewissens beraten können, wo der Patient Geld sparen kann. Das geht natürlich nur, wenn der beratende Arzt selbst keine Gewinnmaximierung betreibt.

 

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