Die Medien überschlagen sich seit Tagen bei der Berichterstattung über Rom Houben, der 23 Jahre lang bei vollem Bewusstsein fälschlicherweise für einen Wachkoma-Patienten gehalten worden sein soll.
Nun werden im Internet kritische und sehr ernstzunehmende Stimmen laut, darunter James Randi, die die ganze Geschichte für einen Hoax halten, vielleicht mit der Absicht dahinter, im Nachgang auch finanziell von dem Medienrummel zu profitieren.
Skeptiker halten das Verfahren der “Gestützten Kommunikation” (facilitated communication) mittels einer Hilfsperson, über das Rom Houben mit seiner Umgebung kommunizieren soll, für ausgesprochen fragwürdig. Videos des Vorgangs sollen darüberhinaus den Eindruck vermitteln, dass die Äußerungen von Rom Houben alleine der Fantasie der Hilfsperson entspringen.
Das Blog Plazeboalarm hat mehrere interessante Quellen zusammengestellt.
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Update: Im Internet-Magazin Wired meldet auch ein Bioethik-Experte Zweifel an:
Any time facilitated communication of any sort is involved, red flags fly.
Update 2: Der Ausgangspunkt für die weltweite Berichterstattung über den Fall scheint eine Exklusivstory im aktuellen “SPIEGEL” zu sein.
Mit Hilfe einer Sprachtherapeutin, die hinter ihm steht und seine Hand stützt, kann Rom auf einer Bildschirmtastatur schreiben.
Update 3: Vermeintlicher Wachkoma-Patient plant Buch über sein Schicksal. Wäre das nicht vielleicht was für den DuMont-Verlag?
Update 4: Die Videos sprechen eigentlich für sich. Im Spiegel-Video führt die “Sprachtherapeutin” den Finger von Rom Houben rasend schnell über die Tastatur, während seine Augen geschlossen sind. Im CNN-Interview sind seine Augen zwar geöffnet, sein Blick aber nicht auf die Tastatur gerichtet (gut zu sehen z.B. ab 2:08).
Update 5: Im Interview mit CBS tippt Rom Houbens “Sprachtherapeutin” mit Hilfe seines Fingers einen 6 Zeilen langen Text fehlerfrei ein, während seine Augen geschlossen sind. (via)
Update 6: Auch in einem weitgehend ungeschnittenen Interview auf Flämisch wirkt das Prozedere nicht wesentlich überzeugender.
Update 7: Ich zitiere zum Abschluss James Randi:
This is yet another obvious example of abysmal, practiced, purposeful ignorance by medical personnel
füge hinzu: “and journalists” und habe für meinen Teil genug von dieser Geschichte gesehen.
Update 8, 26.11.: Aus einem Blog der New York Times:
Now, just four days after his remarkable story was first reported in the media, and he was shown giving a round of interviews to television journalists — typing out remarks on a special keyboard his family says he can operate with the help of a caregiver — Mr. Houben has been introduced to a new phenomenon: Internet fact-checkers.
Update 9: Der Arzt, der diese Geschichte ja ganz offenbar über den SPIEGEL lanciert hat und dann die Kamerateams aus aller Welt in einer langen Schlange zu “Interviewterminen” am Patienten vorbeigeführt hat, Steven Laureys, hat immerhin Humor:
Laureys’s team is in the process of producing a scientific study validating the controversial practice. He refused to discuss it in the media, saying he will follow the classical route of scientific peer reviews and publication in specialized journals before making it public to the world at large.
Hallo, liebe Journalisten, tock tock, jemand zu Hause?
Update 10, 27.11.: Die belgische Zeitung “De Standaard” berichtet – vermutlich als erstes Printmedium – kritisch über den Fall. Laureys zeigt sich dünnhäutig:
Dokter Steven Laureys, die ontdekte dat Rom Houben bij bewustzijn was, heeft geen zin om die discussie te voeren. ‘Het is geen kwestie van geloven, het is een kwestie van medische feiten’, zegt hij. ‘De scans bewijzen dat zijn hersenactiviteit volledig intact is. Als dat de mensen niet kan overtuigen… Over de vorm van communicatie spreek ik me niet uit.’
Mein Flämisch ist verbesserungsfähig, aber Laureys hat offenbar “keine Lust”, diese Diskussion zu führen, weil diese nicht eine Frage von Glauben sei, sondern eine Frage von medizinischen Fakten. Die Scans würden beweisen, dass Houbens Hirnaktivität “vollständig intakt” sei. Dass das die Menschen nicht überzeugen könne… Über die Kommunikationsform möchte er nicht sprechen.
Was für eine traurige Farce.