Die Blutuntersuchung Teil 4

Cholesterinwerte Teil B
In der Diskussion um den „richtigen“ Cholesterinwert wird niemand die absolute Wahrheit für sich beanspruchen können. Als Hausarzt mit langjähriger Erfahrung erscheint mir aber eine Taktik praktikabel, die nicht von pauschalen Grenzwerten ausgeht, sondern für unterschiedliche Patientengruppen angepasste Richtwerte ansetzt. In allererster Linie geht es mir als Hausarzt dabei um einen vernünftigen Umgang mit den entsprechenden Medikamenten.
Cholesterinsenker sind keine Zuckerpillen
Sehr niedrig angesetzte Grenzwerte für das Cholesterin, die ein halbes Volk zu Kranken machen, würde nämlich bedeuten, ein halbes Volk mit den entsprechenden Medikamenten versorgen zu wollen. Aber: Cholesterinsenker sind keine Lutschbonbons! Nebenwirkungen, wie Anstieg der Leberwerte, Muskelschmerzen und Muskelschwäche sind recht häufig zu sehen. Dazu kommen Unverträglichkeiten mit Kopfschmerz, Missempfindungen, Verstopfung und anderes mehr. Cholesterinsenker sind also keineswegs problemlose Massenmedikamente, ganz abgesehen von der wirtschaftlichen Last für das Gesundheitswesen. Aber des einen Last ist des anderen Freud, in diesem Fall die Freud der Medikamentenhersteller.
Einteilung in Gruppen
1.  Patienten mit Spielraum im Verhalten
Hierunter fallen Patienten, die an der Aufnahme und an der Verbrennung von Fetten einiges verbessern könnten. Das hieße, ein besseres Essverhalten und mehr Bewegung und Sport als Therapiemittel für zu hohe Cholesterinwerte zu nutzen. Ausdauersport ist im Übrigen die einzige Möglichkeit das „gute“ Cholesterin zu erhöhen und das „schlechte“ gleichzeitig herabzusetzen. Das schafft erwiesenermaßen kein Medikament. Jeder Cholesterinsenker senkt pauschal den Cholesterinwert, das HDL wie das LDL (siehe Artikel vom 10.1.2009). Schade, um das schöne, „gute“ Cholesterin.
2. Patienten mit hohem HDL
Überhaupt sind meines Erachtens Patienten mit hohem Anteil an „gutem“ Cholesterin anders zu bewerten als Patienten mit niedrigem. Ein Cholesterinwert von 300 mg/dl, dabei ein HDL von 90 mg/dl, löst in mir eine andere therapeutische Reaktion aus, als ein Gesamt-Cholesterin von 280 mg/dl mit einem HDL von 32 mg/dl. Wenn es tatsächlich so ist, dass das „gute“ Cholesterin uns gut tut, wäre es sicher falsch, es mit scharfen Medikamenten zu senken.
3. Patienten mit geringem Herz-Kreislauf-Risiko
Es gibt Patienten, die sind dick und werden 90 Jahre alt. Es gibt Patienten, die haben einen viel zu hohen, unbehandelten Blutdruck und werden 90 Jahre alt. Es gibt Patienten, die treiben niemals Sport und die werden 90 Jahre alt. Solche Menschen werden gern als Alibi für Fehlverhalten herangezogen. Aber! Häufig handelt es sich hierbei um Menschen mit isolierten Risikofaktoren, das heißt, sie bieten nicht mehr als eben diesen einen oder anderen Fehler im Verhalten. Erst das Sammeln von Risikofaktoren wird zu einem Risiko für unser Herz und unseren Kreislauf.  Bietet mir also ein Patient nicht viel mehr als einen erhöhten Cholesterinwert als Risikofaktor, reagiere ich gelassen und nicht mit der Verordnung eines Medikaments, das Nebenwirkungen hat.
4. Patienten mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko
Dies ist sicher eine Gruppe von Patienten, bei der man alle negativen Faktoren sehr genau betrachten muss. Hierzu zählen bewegungsmufflige Diabetiker, Raucher in Stressberufen und ähnliche Hochrisikopatienten. In diesen Fällen werde ich auch die Höhe des Cholesterinwertes kritischer betrachten und neben den vielen anderen Medikamenten auch schneller zu einem Cholesterinsenker greifen.

Alles in allem sollte Patienten und Ärzten grundsätzlich klar sein, dass in der Regel keine Blutwerte behandelt werden, sondern Menschen in ihren individuellen Lebenssituationen. Inzwischen weiß man, dass beispielsweise ältere Menschen wegen der Hysterie um die Cholesterinwerte immer häufiger unter Mangelernährung leiden als unter den Folgen des Fettkonsums.

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