– Ein Märchen in mehreren Teilen –
Und schon ging die Tür auf und zwei bunte Gestalten schoben eine Trage in das Aufnahmezimmer, schoben die ältere Dame in das Krankenbett, drückten mir ein paar Zettel in die Hand und brummelten beim rausgehen irgendetwas von TIA. Ich drehte mich um und sah… niemanden. Außer der Patientin war ich wohl der einzige im Raum. Wo war eigentlich mein netter Kollege, der mich einarbeiten sollte? Egal, muss jetzt so gehen.
Ich trat an das Bett und fragte die Patientin nach ihrem Namen. “Brublgm.” Wie bitte? “Hmbrmbl.” Wann hat das denn angefangen? Haben sie Schmerzen? Was haben sie denn für Erkrankungen, welche Medikamente nehmen sie ein? Eigentlich bekam ich immer die gleiche Antwort. Na gut, dann erstmal den Papierkram in die Hand genommen. Einweisung vom Hausarzt… AZ-Reduktion. Medikamentenplan von… 1999. RD-Protokoll, “Einweisung Hausarzt, V.a. TIA”. Also gut, erstmal Decke weggezogen und Arme und Beine bewegt. Eine richtige Lähmung, man weiß es nicht. Zunge raus, will sie nicht. Stirnrunzeln auch nicht. Pupillen! Die Lampe ist ihr wohl zu hell, aber immerhin kann sie die Augen zupetzen.
Vielleicht sollte man mal den Hausarzt anrufen. Ein freundlicher Anrufbeantworter, der mich auf die nächsten Sprechzeiten hinweist, morgen. Gut, dann bei ihr zu hause… aha, ein Altenheim. Nach 5 Minuten ging tatsächlich jemand ran. “Gaaaanz schlecht”, nix guud.” antwortet mir die nette Pflegerin auf die Frage, in welchem Zustand die Dame war.
Also gut, fassen wir zusammen. Mit AZ-Reduktion vom Hausarzt eingewiesen. “Check”. Reduziert ist sie wohl, in jeder Hinsicht. Vom Rettungswagen dann mit TIA reingeschoben. Neurologische Untersuchung gibt es nicht. Hier außer einer Dysathrie nichts besonderes. Krankengeschichte? Auch nicht vorhanden, niemand der erreichbar wäre oder meine Sprache spricht. Alte Briefe nicht da. Wie gehts weiter?
Ups… vielleicht doch mal Blutdruck messen und EKG schreiben. Blut abnehmen ist auch nicht dumm, hat man viel gutes von gehört. RR 110/70, ist ja ganz gut. EKG nach anfänglichen Bedienproblemchen auch fertig, könnte ja ein normofrequentes Vorhofflimmern sein. Immerhin gäbs ein thrombembolisches Risiko für eine Durchblutungsstörung in der Birne.
Nächster Plan, Kollegen fragen. Nach einigen Minuten habe ich ihn mit den Schwestern beim Kaffeetrinken gefunden. “Keine Zeit! Das machst du schon. Hast doch studiert.” Neuer Plan, Oberarzt fragen, wegen CCT, Strokebett etc. Tatsächlich, nach einer viertel Stunde kam er in die Ambulanz, wie nett. “Doktorchen, die Oma ist doch sowas von hinfällig, und… 90 Jahre alt! CCT? Auf keinen Fall! Schreiben sie Exsikkose hin, hängen ihr ein paar Infusionen an und ab auf Station. Ich sah noch den weißen Kittel im Ausgang verschwinden. Gesagt, getan. Ausarbeiten und hoch auf Station.
Passend dazu Feierabend, so kann es weiter gehen. Also wieder zum Kollegen, immer noch Kaffeetrinkend mit den Schwestern. “Wie sieht es denn mit Feierabend aus?” Na, klar! Aber vorher nochmal ein paar Braunülen und EKs auf den Stationen.Zwei Stunden später dann mein erster Feierabend. Überstunden? Auf keinen Fall aufschreiben, und schonmal garnicht als Anfänger. Man darf gespannt sein auf den zweiten Tag…