Ich weiß nicht, wie es euch geht – aber an manchen Tagen braucht man abends dringend Ablenkung von dem, was man den ganzen Tag getan hat um das, was danach noch im Kopf rotiert, endgültig abzuschütteln. Selbst bei mir rotiert es im Kopf nach dem Bürojob, ungelogen! Nur dass ich mich nicht frage, ob ich Frau X vielleicht aus Versehen die doppelte Dosis des blutdrucksenkenden Medikamentes verordnet oder bei dem Patienten yz auch alle Vorerkrankungen erfragt habe.
Dr. Thomas Böhmke scheint sich in seiner Glosse im aktuellen Ärzteblatt mit ähnlichen Entspannungsproblemen herumzuschlagen. Er schwadroniert von ektomierten Kolonpolypen, die statt der Markklößchen in seiner Feierabend-Wochenend-Suppe schwimmen und von dem gespaltenen Staphylokokkenabszess, der ihm angesichts der mit Crème fraîche dekorierten Putenbrust in den Sinn kommt: Von schräg unten: Am Wochenende
Wenn Mediziner zusammen Feierabend feiern, kann von Entspannung keine Rede mehr sein. Selbst im Biergarten wird noch das Braunülen-Legen geübt (Foto von Victoria Ziesenitz):
Was tun, sprach Zeus? Nun, solange sich die WG-Bewohner, der Partner oder die Kinder nicht beschweren, wenn das medizinische Familienmitglied abends das Schnitzel seziert und nur antwortet, wenn man ihm fünf Antwortmöglichkeiten anbietet oder mit glasigen viereckigen Augen stakkatoartige Befehle vor sich hinbrabbelt, ist ja alles in Ordnung.
Doch sobald man grundsätzlich beim Abendessen alleine sitzt oder keiner mehr mit einem ausgehen will, weil der Gesprächshorizont angeblich so eingeschränkt ist, sollten die Alarmglocken schrillen. In diesem Fall muss ein Gegenprogramm gestartet werden. Ich empfehle, mit viertelstündigen Läufen um den Häuserblock zu beginnen, um an der frischen Luft dem Gedankenkarusell den Laufrhythmus entgegenzusetzen. Noch besser ist natürlich der Lauf im Park oder im Wald – aber der Einstieg soll ja so einfach wie möglich sein.
Auch Tanzen oder Kampfsportarten wie Karate zwingen das Gehirn dazu, sich mit neuen Bewegungsabläufen zu beschäftigen und schwupp, ist nach einer Stunde intensivem Übern auch der letzte Rest Arbeitsalltag in einen anderen Gehirnspeicher gerutscht und belagert nicht mehr die aktuelle Aufmerksamkeit.
Auch wenn man sich wie ein Grobmotoriker fühlt, weil die Kata Tekki-shodan nach vielem Üben immer noch nicht sitzt, seinen Zweck hat das Training erfüllt: Der Kopf ist frei, der Körper wohlig müde. Und wie sagt doch immer unser Trainer: Wenn Karate einfach wäre, dann hieße es Fußball.
In diesem Sinne wünsche ich einen entspannten Feierabend!
(Uli)
PS: Wer zufällig in Esslingen in der Klinik arbeitet oder dort sein PJ macht, kann gerne mal beim Training vorbeischauen