Das Interview mit dem Physioblogger

Ich hatte ja vor kurzem hier das Physiotherapie Quiz. Und als Preis für die richtige Auflösung von diesem Quiz gab es ein Interview mit mir zu gewinnen. Der glückliche Gewinner ist übrigens Diplom Biologe.

Bitteschön hier ist das Interview:

Hier sitzt ein kleiner Vorkliniker, der sich einerseits wahnsinnig freut,
ein anatomisches Quiz gewonnen zu haben, obwohl er doch eigentlich
gefühlt keine Ahnung von Anatomie hat; und dazu auch noch einen Gastbeitrag
beim Profi schreiben darf. Nunja, all dies soll mich nicht weiter
aufhalten! Deshalb, statt eines Gastartikels, eine Art Interview, wo
ich den Physioblogger die wirklich wichtigen Dinge frage!

1. Aus Deinem Artikel

http://physiotherapeuten.wordpress.com/wer-schreibt-hier-eigentlich
wird deutlich, dass Du wohl mehr bist als der
handelsübliche Physiotherapeut. Wie bist Du dazu gekommen, Dich im Dunstkreis
Physiotherapie, Massage, Fitness, u.v.m. so in die Breite zu bewegen? Liefere
doch mal einen kleinen Werdegang aus persönlicher Sicht, was Dich motiviert
hat und woher die Neugier kommt!


Ohje..das ist ein lange Geschichte. Von der Grundeinstellung bin ich persönlich der Typ Mensch der etwas ganz oder gar nicht macht. Während meiner Ausbildung durfte ich unter 2 Dozenten lehren die wirklich goldene Hände hatten. Die wussten einfach alles..woher etwas kommt…wie es kommt, wo man untersuchen muss…und das mit einer Leichtigkeit die mich fasziniert hat.

Denn als Masseur denkt man wie ich meine nicht ganz so weit. Zumindest war das bei mir so. Ich wollte in die Materie Mensch eindringen…die ganzen Dinge verstehen….und das kann man nur wenn man so viel wie möglich weiß über unseren Körper.

Und nach den offiziellen Stunden kamen wir natürlich mit unseren kleinen Problemen zu eben diesen 2 Dozenten…und was soll ich sagen..wenn die Hand angelegt haben…war ich danebengestanden…total fasziniert was die machen….und konnte es kaum glauben aber:

Meine damaligen Mitschüler sind danach aufgestanden und Ihre Augen haben geleuchtet…sie waren zumindest kurzfristig von Ihren Problemen/Schmerzen befreit. Und genau dieses funkeln in den Augen, wenn Patienten aufstehen, befreit von Ihren Schmerzen genau das..treibt mich an. Und es wirkt wie eine Droge.

Wenn du 4 Patienten hintereinander hast und allen geht es nach den Behandlungen super…hey….scheiß auf Ectasy…das ist der Wahnsinn. Da kommt man dann zum nächsten Patienten rein..alles läuft geschmiert…man ist im Flow…das ist der reinste Wahnsinn wie man sich dabei fühlt.

Das ist meine Kraft, die mich morgens um 7 antreibt und auch abends um 21h beim letzten Patienten.

Ich liebe meine Arbeit…ich bin Hobbytherapeut..ich therapiere andere weil es mir wahnsinnigen Spaß macht.

Es ist meine Berufung, nicht meine Arbeit!

2.Wie eingangs schon erwähnt, halte ich mich für eine Anatomie-Null. Als
Physiotherapeut hast Du deutlich mehr mit der Anatomie des Menschen zu tun
und kennst Dich dementsprechend gut damit aus. Trotzdem hatte ich bei den
wenigen Physiotherapeuten, mit denen ich bisher Kontakt hatte (rein privat)
den Eindruck, dass sie paradoxerweise durchschnittlich besser mit Menschen
können als Ärzte (persönlicher Eindruck). Wie erklärst Du Dir, dass Du
fachlich eigentlich am körperorientiertesten arbeitest und auf der anderen
Seite näher am Menschen bist? (Philosphische Antworten selbstverständlich
erlaubt!)

Das ist ganz leicht zu beantworten:

Siehe dir mal an wieviel Zeit ein Arzt in einer niedergelassenen Praxis für seine Patienten Zeit hat und wieviel Zeit ich mir nehme. Da hast du es!

Wenn ich als niedergelassener Arzt, meinetwegen mich 3 Minuten mit einem Ekelbatzen hoch 10 beschäftigen muss das geht noch….da muss man sich jetzt nicht groß anpassen (nicht falsch verstehen!).

Wenn jedoch dieser Patient zu mir in die Therapie kommt und ich diesen Patienten 6-20 mal therapieren darf, dass ist schon eine andere Ebene. Ich muss mich mit dieser Person auseinandersetzten, Ihn anfassen, mich mit ihm unterhalten. Kurzum: Ich muss mit diesem Menschen eine Beziehung eingehen. Das MUSS der Arzt in den 3 Minuten nicht.

Deswegen würde ich sagen komme ICH persönlich leichter mit Menschen klar die auch etwas schwieriger sind.

natürlich hängt das von sehr vielen Faktoren ab. Außerdem muss ein Arzt ja auch mit solchen Menschen klarkommen. Und ich denke die meisten können das auch.

3. Ich habe eine Bekannte, die arbeitet als Physiotherapeutin.
Sie hat mal gemeckert, was für seltsame Sachen sie auf Überweisungen liest.
Manchmal darf sie auch selbst erst herausfinden, was überhaupt für einen
bestimmten Patienten die passende Behandlung ist. Ich weiß ja nicht, was man
im klinischen Abschnitt des Medizinstudiums über die Möglichkeiten und
Grenzen der Physiotherapie lernt, aber scheinbar ist es nicht so viel. Was
würdest Du einem jungen Arzt mit auf den Weg geben, der wissen möchte, wann
er Patienten mit welchen Beschwerden zu Dir schicken kann? Vielleicht auch
mit einem Literaturtipp, möglichst kurzgefasst … Du weißt ja, die Doctores
sind alle immer kurz angebunden. :-)

Das ist eines meiner Lieblingsthemen:

Ich habe mich schon mit zig Ärzten sowohl im KH als auch in Praxen unterhalten, und der einstimmige Tenor war:

“Physiotherapie? Wir Ärzte? Dafür hatten wir doch im Medizinstudium gar keine Zeit. Und ich muss ehrlich zugeben: Von dem was du machst habe ich NULL Ahnung.”

Da hast du es. Und jetzt verrate mir mal warum wir streng genommen ein “medizinischer Hilfsberuf” sind?

Verstehst du das? Ich leider nicht. Wir dürfen in den meisten Fällen nur aus Ärztlicher Anordnung (Rezept) arbeiten. In Holland ist das anders. Da gibt es die sogenannten First Contact Practioner. Heißt nichts anderes als das die Holländischen Kollegen auch ohne Arzt Therapieren dürfen. Aber wir sind auch gerade in D dabei dies zumindest umzusetzen.

Warum schreibt mir ein Arzt KG auf? Und nicht Massage? Kann er dies differenzieren? Ganz klar: Nein! Oder KG für das Kiefergelenk? Viele können dies nichmal untersuchen. Was machen sie? Rezept über KG und ab zum Physio. Denn der weiß das.

Herzlichen Glückwunsch Ihr lieben Ärzte!

Ich sage das nächste mal auch einem Chirurgen wie er operieren soll!! Was meinst du was da los sein wird! Der fühlt sich dann auf den Schlips getreten. Und wir Therapeuten werden angemacht weil wir KG machen statt Massage welches auf dem Rezept steht machen. Sorry..kein Verständnis!!

Aber einem jungen Mediziner würde ich sagen:

“Höre auf dein Herz. In allem was du tust. Schaue über den Tellerrand des Schmerzes und du wirst einen Menschen entdecken. Und überschreite nicht deine Kompetenzen. Vielleicht wenn es dich interessiert schaue mal einem erfahrenen Physiotherapeuten über die Schulter, du wirst etwas für das Leben lernen!

Siehe den Physiotherapeuten als Freund und Helfer. Denn er will das selbe wie du.”
4. Als kleiner Rettungsdienstler gibt es für mich nur eine wahre Fachrichtung:
Die Anästhesie. Mal sehen, ob das so bleibt. Und wenn das so bleibt:
Schmerztherapie ist was unglaublich Interessantes. Natürlich gibt es
Medikamente und psychotherapeutische Verfahren.

Was kann die Physiotherapie leisten, wenn es um Schmerzen geht? Vor allem
bei Schmerzen ohne bekannte Ursache und bei chronischen Schmerzen?

Hey komm, mach bitte deinen Berufsstand nicht kleiner als er ist. Du bist kein einfacher Rettungsdienstler. Ich kenne von einigen Blogs da so Geschichten…leck mich am Arsch..ich wäre volkommen überfordert. Ich habe HÖLLENRESPEKT vor euch. Soviel dazu!!

Poah..das ist ein Thema. darüber könnte ich den gesamten Webspace von WordPress, Microsoft und Apple belegen.

Nur soviel dazu: Wir können unglaublich viel machen….ich weiß gar nicht wo man anfangen soll.

Oh doch ich weiß es: Den Patienten ernst nehmen. Alles andere ist die individuelle Behandlungsphilosophie des einzelnen Physiotherapeuten und Arztes.

Ach ja noch etwas: Alles geben, jeden Tag, 110% beim ersten und letzten Patienten!

Ich hoffe alle Fragen sind soweit geklärt. Wenn etwas noch zu fragen ist zu einzelnen Themen gerne in den Kommentaren! Ich stehe für Fragen immer offen.

Gruß:

Physioblogger


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