(BREMERHAVEN) Mangelnde Konfliktfähigkeit kann man Erwin Böhm sicher nicht vorwerfen: bereits als junger Krankenpfleger hat er sich von Disziplinarverfahren nicht schrecken lassen und seine eigenen Vorstellungen von Pflege in der Psychiatrie konsequent umgesetzt. Heute ist sein Name unlöslich mit dem psychobiografischen Pflegemodell verbunden. Jüngst stand Erwin Böhm, der zur Zeit in Deutschland weilt, in Bremerhaven für ein Interview zur Verfügung und hat es mal wieder richtig krachen lassen. In einem rundum Schlag zeiht er Patienten der Duckmäuserei und findet es paradox, wenn er als älterer Mensch von einer jungen Pflegerin betreut wird. Am Ende des Interviews sieht er gar die Entscheidung zum Pflegeberuf als Ausdruck eines Defizits – viele Pfleger hätten Schwierigkeit mit ihrer eigenen Biografie und eine gesunder Mensch werde eben Reporter oder Mechaniker, so Böhm. Vielleicht ist diese Sichtweise ja Ergebnis der Selbstreflexion. (Zi)
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Im Sommer 2007 verschwand ich lange von der Bildfläche, indem ich wegen Suizidgefahr etliche Wochen auf der "Geschützten Kriseninterventionsstation" verbrachte. Da sind die Ausgangsregeln zwar weniger restriktriv als auf anderen Geschlossenen, aber bis zu bestimmten Ausgangsstufen ist die Tür doch erstmal ziemlich zu.
Was bedeutet das denn für mich als Patienten?
Zum Verständnis erstmal die verschiedenen Ausgangsstufen in der LWL-Klinik:
Stufe 0: Die Tür ist so zu, zuer geht es nicht. Gar kein Ausgang, auch nicht mit Personal.
Stufe 1: Ausgang in 1:1-Betreuung durch Personal. Effektiv nicht besser als Stufe 0.
Stufe 2: Ausgang in der Gruppe mit Personalbetreuung. Damit kann (muß) man morgendlichen Spaziergang und an der Ergotherapie teilnehmen. Ein wenig frische Luft und Beschäftigung.
Stufe 3: Ausgang mit mindestens auf gleicher Ausgangsstufe befindlichem Leidensgenossen und Besuchern.
Stufe 4: Ausgang allein auf dem Gelände
Stufe 5: Ausgang auch in die Stadt.
Ich war etliche Tage auf 0 und 1, also gleichsam eingesperrt. Ich hatte nur die Uhr und die Mahlzeiten. Lesen ging nicht wirklich, dafür ging es mir zu schlecht. Der Tag dehnte sich endlos, auch dadurch, daß der Geschmack der breiten Masse das Fernsehprogramm bestimmte, und dieser war absolut nicht meiner. Nur- im Zimmer rumgammeln wollte ich und durfte ich nicht, und das Wohnzimmer war schon gemütlich.
Die ersten Tage zogen sich wie Kaugummi, sie dauerten gefühlt wesentlich länger als die restlichen Wochen ab Stufe 2 aufwärts.
Aber danach ging es sehr schnell, ruck-zuck waren mehrere Wochen vorbei.
Denn zusätzlich zu den Mahlzeiten wurde die Zeit zum Teil auch am Wochenende mit Ergotherapie gefüllt. Ich malte wie ein Irrer (naja, bin ich ja auch ) in Acryl, obwohl ich das erste mal in meinem Leben malte, gelang es ganz gut. Ich verwurstete Erlebnisse und Gedanken und mehr. Und wurde besser. Unser Stationspsychologe kaufte mir sogar ein Gemälde ab. Ich traf ihn vor einigen Wochen. Es hängt noch immer in seinem Büro, trotzdem er damit umgezogen ist.
Im hoch eingezäunten Garten wurde gegrillt, wir kauften im nahen Supermarkt auch für die anderen ein…
Ruckzuck wurde ich entlassen. Auch wenn ich dann erstmal zur Scheiß-Reha kam und von dort wieder in die Akutklinik. Und irgendwann nach siebeneinhalb Monaten, die mir viel kürzer vorkamen, ging ich wieder ganz nach Hause und zur Arbeit (Wiedereingliederung). Eine fremde Welt. Ich mußte mich wieder an ein normales Leben gewöhnen. Die Klapse war mein zu Hause geworden. Denn die Uhren in der Klinik ticken langsamer, viel langsamer. Nur keinen Streß. Keine Hektik. Gemütlich von Therapie zu Therapie schlendern. Das war mein Leben gewesen.
tags: psychiatrie zeitempfinden klapse klinik geschlossen geschützt krisenintervention suizid
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