Natürlich sprinte ich gerne nachts um halb drei durchs Treppenhaus rauf auf die Station, wenn’s ein Notfall ist. Dafür bin ich ja schliesslich Arzt.
Jawoll, ich bin Arzt, lasst mich gefälligst durch!
Aaber…
Wenn es denn wirklich ein Notfall ist, dann kann ich ja wohl erwarten, dass Ihr noch im Krankenzimmer seid, wenn ich dreißig Sekunden nach dem Anruf hereingestürmt komme, oder?
Weil wenn es ein Notfall ist, dann seid Ihr entweder am reanimieren oder wenn’s nicht ganz…
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Wahnsinnswoche 2021:20
In dieser Woche 175 Patientenkontakte und 14 Terminausfälle. Ich habe erst in 12-16 Wochen wieder freie Termine. Die Praxis ist nach wie vor völlig überfüllt und gleichzeitig ist die Zahl der Anfragen per Telefon, SMS, Fax und Mail exponentiell angestiegen. Es kann also sein, dass ich ein paar Tage brauche, um alles abzuarbeiten.
Ansonsten: schöne Pfingsten!
Offenbar plant Gesundheitsminister Spahn, psychotherapeutische Behandlungen mit Hilfe des Gemeinen Bundesausschusses zu rationieren – das Stichwort #rasterpsychotherapie geisterte diese Woche durch twitter. Ich halte das für eine Schnapsidee und bin nicht allein mit meiner Meinung:
Die Bundespsychotherapeutenkammer lehnt das aus gutem Grund ab: “Das ist holzschnittartige Psychotherapie, oberflächlich und lückenhaft.“
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen stellt “ein fragwürdiges Vorgehen im Kontext demokratischer Willensbildung fest, wenn auf den „letzten Drücker“ Einschübe in fast finale Gesetzesprozesse vorgenommen werden”.
Ein breites Bündnis psychotherapeutischer Verbände (pdf) spricht sich “gegen jede Rationierung von Leistungen ambulanter Richtlinienpsychotherapie” aus.
Die KBV meint, “die Entscheidung über die bestmögliche psychotherapeutische Behandlung muss bei den Kolleginnen und Kollegen und ihren Patienten liegen”.
Laut taz möchte “das Bundesgesundheitsministerium das sogenannte Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) um eine Regelung ergänzen, die den Zugang zu Psychotherapie weiter bürokratisieren soll”.
Und die Piraten meinen, “das Rasterkonzept schafft weitere unnötige Hürden für die Genesung psychisch kranker Menschen”.
Die Entscheidung über dieses fragwürdige Vorgehen wurde in letzter Minute vom 21.5. auf Juni verschoben: zweite Anhörung am 31.5, abschließende Beratung am 9.6.2021.
Bis dahin können Sie auf change.org eine Petition dagegen unterschreiben.
Fortuna Düsseldorf’s ultras are running an auction in support of local organizations against depression.
This is the story behind it.
When socially-engaged ultra groups turn personal tragedy into making a difference by raising awareness on mental health, thread.
1/15 #F95 pic.twitter.com/yEjsTlmS5B
— Felix Tamsut ?? (@ftamsut) May 21, 2021
Francis Bacon and the four barriers to truth: Truth might be hard to find, but we can take steps to eliminate common cognitive biases. Big Think 20.5.2021
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling zur Ad-hoc-Stellungnahme einer Autorengruppe um Matthias Schrappe zur intensivmedizinischen Versorgung in der SARS-2/CoViD-19-Epidemie. DGfM 19.5.2021
Meditation und Achtsamkeitsübungen können auch unerwünschte Negativeffekte haben: “von andauernder Überempfindlichkeit über Albträume bis hin zu traumatischen Ereignissen, die den Probanden durch die Übungen wieder ins Gedächtnis gerufen wurden. Andere Teilnehmer fühlten sich ängstlich oder emotional ermattet”. Spektrum 20.5.2021
Cumulative effects of medications with anticholinergic properties may contribute to worse cognitive outcomes in people with schizophrenia. APA 17.5.2021
Wie sich die Gehirne von Künstlern, Denkern und Unternehmern unterscheiden. heise.de 19.5.2021
„Du bist nichts wert“.
Nora Tschirner spricht über ihre Depressionserfahrung: Merkur.de 18.5.2021
When you see it, you see it.
How many do you recognize? pic.twitter.com/IK8tTTOCXv
— Remkus de Vries (@remkusdevries) May 16, 2021
Soulfood: The Linda Lindas Perform REBEL GIRL (Official Video) | Moxie
Seid polyedrisch!
Ohne ein intimer Kenner der Kirchengeschichte zu sein, wage ich zu behaupten: Selten noch hat ein Papst ein so menschliches Bild von Gesellschaft so mathematisch beschrieben wie der dieses Jahr gewählte Papst Franziskus in seiner Enzyklika “Evangelii gaudium” (“Die Freude des Evangeliums”), “Das Modell ist nicht die Kugel, die den Teilen nicht übergeordnet ist, wo jeder Punkt gleich weit vom Zentrum entfernt ist und es keine Unterschiede zwischen dem einen und dem anderen Punkt gibt. Das Modell ist das Polyeder,… weiter
Rezension: Notfallversorgung in Deutschland
Mit diesem Text möchte ich bei den Rezensionen etwas Neuland betreten, handelt es sich doch nicht nur um das erste bei nofame4u rezensierte Printmedium, sondern zudem auch noch um eine
wissenschaftliche (Promotions-)Arbeit.
Weder jetzt noch in Zukunft plane ich, die Bewertung von medizinischen Lehrbüchern oder Dissertationen, aber diesem Medium konnte ich mich nicht entziehen und ausserdem handelt es sich im
strengen Sinne auch nicht um ein medizinisches Werk, sondern um nicht weniger als den Versuch die Notfallversorgung in Deutschland interdisziplinär zu analysieren und sinnvolle
Änderungsvorschläge anzuregen.
Der Autor Dr. Christopher Niehues verfügt mit seiner wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und Lehrtätigkeit auf der einen Seite und reichhaltiger persönlicher Erfahrung im
Rettungsdienst und Notaufnahmen über einen ungeschönten und multidimensionalen Blick auf die deutsche Notfallversorgungslandschaft. Traditionell herrscht eine allein medizinzentrische Sicht
weniger Meinungsbildner, die zum Teil auch recht vehement von diesen vertreten und nicht notwendigerweise immer mit ausreichender Evidenz untermauert wird. Soviel zum Hintergrund.
In den ersten Kapiteln findet sich eine doktorarbeitstypische Einleitungsstruktur, jedoch ergeben sich auch hier für den Mediziner mit Interesse an der Materie bereits interessante neue
Aspekte durch Erklärung wirtschaftswissenschaftlicher Grundlagenbegriffe wie zum Bespiel “Effizienz” oder zu juristischen Wechselbeziehungen zwischen Recht und Ressourcenknappheit.
Kernfrage der Arbeit ist, ob der gegenwärtige Nutzen der durch unsere Notfallversorgung erreicht wird, die maximale Effizienz darstellt, die mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu
erreichen ist, oder ob es Möglichkeiten gäbe, Teile dieser Ressourcen mit grösserem Effekt einzusetzen.
So mutet es tatsächlich etwas seltsam an, dass ein Feld, welches sicher enorme Potentiale zur Outcomeoptimierung hat, nämlich die Laienhilfe nur geringgradig bezuschusst wird, obwohl die
Erkenntnis des korrelierenden Zusammenhangs zwischen kurzen Zeiten bis zu einer Laienreanimation und einer positiven Überlebenswahrscheinlichkeit evidenzbasiert und gesichert ist. Auf der
anderen Seite werden immense Mengen institutionellen Geldes in die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Notarztsystems gesteckt, welches offensichtlich schon lange personalmässig nicht oder
nur unter grösster Mühe aufrechterhalten werden kann, dies alles um regional gewählte Hilfsfristen einzuhalten, die zuvor niemals evidenzgeprüft wurden.
Die Notaufnahmen werden in diesem System als zweite Stelle der systematischen Vernachlässigung identifiziert, ein Platz für den trotz steigenden Patientenzahlen bislang keine einheitlichen
strukturellen Mindeststandards und schon gar keine beruflichen Mindestanforderungen vorliegen.
Überhaupt kommt nach Lektüre der Arbeit der Eindruck auf, dass sowohl die präklinische als auch die klinische Notfallmedizin ein Gebiet ist, bei dem die Entscheidungsbefugten auf zu viele
unterschiedliche Bereiche verteilt sind und die sogenannten Experten in den aufgesplitterten Untergebieten erhebliche Partikularinteressen haben, es fehlt eindeutig die ordnende Hand von oben,
welche die Gestaltung mit unabhängigem medizinischem aber auch ökonomischen Sachverstand vornimmt.
Die Frage wie das staatliche Geld für die Notfallversorgung zu verwenden ist ist untrennbar verknüpft auch mit der Frage nach Qualifikation und Weiterbildung von ärztlichem und
nicht-ärztlichem Personal. Der Status quo mit 80-Stundenkurs für die präklinischen Notärzte wird ebenso zur Diskussion gestellt, wie die noch weit geringeren Qualifikationen im
Notaufnahmebereich, womit sich Deutschland im innereuropäischen Vergleich zunehmend selbst disqualifiziert.
Der Beruf des Rettungsassistenten gehört seiner Meinung nach durch intensivierte Ausbildung und weiterreichende Kompetenzen berufspolitisch aufgewertet und damit zukunftsfähig
gemacht.
In einigen Teilen des Textes wird auch die Verantwortlichkeit der Ärzteschaft selbst für den gegenwärtigen Status deutlich, die Fortschritte vor allem im klinischen Notfallmedizinbereich
durch Protektionismus “etablierter” Strukturen, wie zum Beispiel der Verhinderung einer eigenen Facharztanerkennung für die Notfallmedizin, verhindert.
Ziel der Denkanstösse sollte es nach Dr. Niehues’ Meinung sein, die Notfallversorgung vor allem dort zu stärken, wo mit vergleichsweise geringerem Aufwand eine grösstmögliche
Verbesserung des Outputs erzielt werden kann.
Alles in allem ist das Buch ein gelungenes Werk zum Thema mit erfrischenden fachübergreifenden Sichtweisen und schlüssigen Ratschlägen, welches sicher noch einiges an Diskussionen in der
heraufbeschwören wird. Bei einigen, der als notwendig erachteten Massnahmen (Facharzt Notfallmedizin, mehr Kompetenzen für Rettungsassistenten) ist es jedoch wohl nur noch mehr eine Frage wann
diese realisiert werden, und schon lange nicht mehr ob.
Das Buch ist bei Amazon für 34,90€ hier
erhältlich.