Deutsche Medien ignorieren Wissenschaftsskandal

Weit über eine Woche ist vergangen, seit die internationale Presse in breiter Front über den vielleicht spektakulärsten und folgenreichsten Wissenschaftsskandal der vergangenen Jahrzehnte berichtet hat.

Nicht so die deutschsprachigen Medien. Außer im Deutschen Ärzteblatt fand sich lediglich in der Wiener Zeitung ein Bericht.

Die Autorin dieses Artikels zeigt sich denn auch in einem Blogkommentar verwundert:

Was ich absolut nicht verstehe, ist dagegen das Schweigen sämtlicher Agenturen zu dem, worüber sämtliche US-Medien von Rang und Namen seit vergangener Woche berichtet haben. Derartiges ist mir in den bald 40 Jahren meiner journalistischen Tätigkeit noch nie untergekommen und mir fehlt jeder Erklärungsansatz dafür.

Weiterhin werden in Deutschland täglich vermutlich tausende von Patienten postoperativ auf der Grundlage von Leitlinien mit teuren Medikamenten wie Celebrex® behandelt, deren Nutzen-Risiko-Profil nicht zuletzt anhand von frei erfundenen Studiendaten ermittelt wurde.

Links zum Wochenende (20.03.09)

Kontroverses und Konventionelles zum Wochenende – Die hier verlinkten Beiträge entsprechen nicht zwangsläufig der Meinung des Autors.
Ernährung & Gesundheit

Umwelthormone im Mineralwasser
Studie: Hautcreme könnte Hautkrebs erzeugen (englisch)
Studie: Fasten kann Tumorwachstum beeinflussen (englisch)
Auf Deutsch: Diäten gegen Krebs
Neue Funde in der Milch: Östrogene können Tumorwachstum bedingen (englisch)
Vegetarier haben seltener Krebs
Seefisch kann vor Darmkrebs schützen
Bausteine für ein neues Leben […]

Thema Pflege: Pflegende Angehörige brauchen Unterstützung

In unserer zweiten Themenreihe im Rahmen unsere Bemühungen um Gesundheit im Allgemeinen und Speziellen, widmen wir uns der Pflege. Was hilft dem Betroffenen, was den Angehörigen und was sind die Rahmenbedingungen – rechtlich, wie infrastrukturell – all das wollen wir klären bzw. zur Diskussion stellen.
Wir eröffnen unsere Reihe mit dem Thema: Die Probleme der Angehörigen […]

Naturheilkunde in der Transfusionsmedizin

Der Tagesspiegel hat weitere Hintergründe zu dem “Bio-Viagra-Skandal” an der Charité. Danach gibt es personelle Verbindungen zwischen dem Unternehmen, das das neue Potenzmittel auf dem Markt bringen wollte und dem Institut für Transfusionsmedizin, an dem der Medizinstudent seine “Versuche” durchführte.

Dort sitzen einige Anhänger von pflanzlichen Präparaten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Institutsleiter Kiesewetter in den Medien ist. 1999 präsentierte er eine Studie, die zeigen sollte, dass Knoblauchpräparate gegen Gefäßverkalkung helfen. Die Studie wurde von Wissenschaftlern kritisiert, aber die „Unterstellung vorsätzlicher Datenmanipulation“ wies die Charité nach einer Kontrolle als „abwegig“ zurück. Die Studie zeigte allerdings Fehler in der statistischen Analyse auf, die korrigiert werden mussten. Danach war ein positiver Effekt nur noch bei Frauen nachweisbar. Keine gute Nachricht für die Firma Lichtwer, die die Versuche finanziert hatte und mit Präparaten wie Kwai-Knoblauchpillen ihr Geld verdiente.

In einem anderen Fall über den der Tagesspiegel berichtet, geht es um einen Extrakt aus Cistus incanus Pandalis® zur Vorbeugung sowie der begleitenden Behandlung von bakteriellen Infektionen der oberen Atemwege (Tonsillopharyngitis), das Kiesewetter erfolgreich getestet hat – in einer offenen, kontrollierten Studie. Die Ergebnisse wurden in der bedeutenden Zeitschrift Erfahrungsheilkunde veröffentlicht. Für den Hersteller “Dr. Pandalis Urheimische Medizin” war der Institutsleiter nach Angaben des Tagesspiegels als wissenschaftlicher Berater tätig. Wobei er im Januar noch in PR-Meldungen als Experte aufgetreten ist. SPON hat das Präparat vor drei Jahren mit der Schlagzeile: Lutschen gegen die Vogelgrippe begleitet. Auf dem Höhepunkt der Vogelgrippe-Hysterie waren die Medien kopflos dem Stichwort gefolgt. Von der Verbindung mit Vogelgrippe hatte sich das Unternehmen später distanzert. Die Ergebnisse einer neuen Studie von Kiesewetter, deren Veröffentlichung in Pressemitteilungen von Dr. Pandalis für 2008 angekündigt wurde, sind noch nicht erschienen.

Ein weiteres Beispiel: Schwarzkümmel lindert Allergiebeschwerden. Auch ein Forschungsgegenstand der Transfusionsmediziner der Charité. In Pressemitteilungen firmiert Kiesewetter auch als Leiter eines “Arbeitskreises Immunologie”, über den ausser durch Pressemeldungen nichts zu erfahren ist. Die Telefonnummer deutet auf eine Praxis in München. Dessen Empfehlungen werden vom arznei-telegramm als “distanzlose und unwissenschaftliche Werbetätigkeit” mit Schadenspotential gebrandmarkt.

Schon im Jahr 2000 wurde in der Zeitschrift “Internistische Praxis” auf das Wirken des Instituts und den Imageschaden für die Charité hingewiesen.

… eine nicht begründete bzw. wissenschaftlich nicht belegte Empfehlung, die vordergründig zunächst dem Hersteller bzw. Verkäufer von Schwarzkümmelöl nützt, nicht aber dem Ansehen der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin”

Zu Recht fragen sich endlich einige Verantwortliche in der Charité, was das mit “Transfusionsmedizin” (und mit Wissenschaft) zu tun hat. Der deutsche Hang zum Universalgelehrten ist nicht zu besiegen.


Update:
Der Spiegel hat nach einer Woche ähnliches rausgefunden – der Fall “Cistus incanus Pandalis” ist dem Autor nicht über den Weg gelaufen.

Omega-3-Fettsäuren, Depression, Medizinethik und Open Access

Es ist hinlänglich bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen
Fischkonsum und Depressionshäufigkeit gibt (Hibbeln, 1981,
nochmals in einem spezielleren Fall ebenso von
Colangelo et al. (2009)).
Als aktives Agens werden Omega-3-Fettsäuren
gesehen. Nach wie vor ist die Faktenlage noch nicht ganz klar. Während
Appleton et al. (2008) die bisherigen Studienlage als
begrenzt aussagekräftig und inkonsistent bewerten, sehen
Sarris et al. (2009) Omega-3-Fettsäuren als
als adjuvante Therapie im positiven Licht. In einer neuen experimentellen
Studie von Clayton et al. (2009) stellen sich
Omega-3-Fettsäuren als positiv bei juveniler
Bipolarer Störung heraus.

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Medizinisches Web 2.0 – Twitter

Das sogenannte Web 2.0 bietet viele Möglichkeiten, die leider vor allem in medizinischer Hinsicht (noch) häufig ungenutzt bleiben. Mittlerweile gibt es unzählige Plattformen, soziale Netzwerke und Applikationen, die ich in dieser Serie einmal näher beleuchten möchte. Heute: Twitter (Erklärung bei Wikipedia), eine “relativ neues” und aufstrebendes Format, einfacher gesagt: “Massen-SMS aufm Computer”. Kann Twitter (Gezwitscher) […]

Das Internet ist böse

Impfmüdigkeit durchs Internet.

Besonders nett ist die offen Bewerbung um Forschungsgelder aus der Pharmaindustrie:

Ihre psychologisch und methodisch fundierte Grundlagen- und Anwendungsforschung will die Gruppe fortsetzen, um der aktuellen Tendenz zur Impfmüdigkeit entgegenzuwirken. Zur Durchführung gemeinsamer Forschungsvorhaben suchen sie nach Partnern.


Update:
Nach Aussage der Wissenschaftlerin sei eine Förderung durch die Industrie nicht intendiert.