Eigentlich sollte an dieser Stelle heute ein ganz anderer Artikel zum Thema Krebs und Krebspatienten erscheinen. Aber da das Thema passt und Gelegenheiten manchmal beim Schopfe gepackt werden müssen, beschäftige ich mich heute mit einem Artikel in der Tageszeitung DIE WELT.
Sport gegen Krebs… so titelt die Zeitung DIE WELT in der Wochenendausgabe im wissenschaftlichen Teil. Lobenswert! Die Aussage kann meines Erachtens nicht oft genug in den Zeitungen stehen. Im Verlauf des Artikels wird versucht, die Aussage mit statistischen Ergebnissen zu belegen. Dabei wird dem Leser klar, dass die Erkenntnis „Bewegung hilft gegen Krebs“ bereits seit 30 Jahren wächst. Nur – wer sagt es den Betroffenen?
-Die Krebsspezialisten (Onkologen)? Sie haben anderes zu tun, und das ist nur wenig vorwurfsvoll gemeint. Therapiestandards müssen im Einzelfall festgelegt und durchgeführt werden. Abstimmungen in Tumorkonferenzen (viele Fachleute sitzen zusammen und beraten über den richtigen medizinischen Weg) sind wichtig und zeitaufwändig. Für den einzelnen Patienten bleibt wenig Zeit. Die Zahl der Erkrankten passt nicht zu der Zahl der vorhandenen Spezialisten. Ärzte werden gehetzt und Patienten zeitlich kurz gehalten. Wie soll da ein Gespräch in Ruhe über die Heilkraft der Bewegung geführt werden?
-Die Hausärzte oder Fachärzte? Dasselbe Problem – keine Zeit und (das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung) – kein Wissen. Woher soll die Zeit kommen, in einer Epoche, in der mit Geld gewuchert und mit Zeit geknausert wird. Und woher soll das Wissen kommen, wenn es wichtiger ist, bei Krebserkrankungen die richtigen Operationen, Chemotherapien und Bestrahlungen durchzuführen, als den Patienten selbst zu begleiten und zu stärken.
-Also ran an die Medizinstudenten? Das wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Medizinstudenten sind von derlei Themen in Deutschland (und anderswo?) weiter entfernt als die Erde von fernen Hypergalaxien. Nicht einmal die normale Arzt-Patienten-Gesprächsführung ist ein erwähnenswerter Teil der Medizinerausbildung, geschweige denn die spezielle Art der Gesprächsführung mit einem Schwerkranken und erst recht nicht die Gesprächsführung über Themen jenseits der Schulmedizin.
-Also ran an die Universitätslehrer? Da wären wir wieder beim Problem der Krebsspezialisten. Keine Zeit, keine Meriten zu gewinnen, keine richtige Wissenschaft. Das Problem dreht sich im Kreis.
Wer bleibt?
-Der Patient selbst. Mit ein wenig Glück – der Hausarzt.
Der Patient und insbesondere der Krebspatient ist heutzutage quasi in der Pflicht, sich selbst über Wege neben der wissenschaftlichen Medizin zu informieren. Da sind solche Artikel wie der von Ingeborg Bördlein in der Zeitung DIE WELT Gold wert.
Und wir Hausärzte sind in der Pflicht, den Patienten wieder rundherum zu betreuen, mit ihm zu sprechen, ihn zu führen, wenn nötig zu stärken und zu begleiten auf Wegen, die nicht immer streng wissenschaftlich sind. Niemand sonst tut es. Die Spezialisten entfallen, die kirchlichen Seelsorger ebenfalls, bleibt nur die unerschöpfliche Zahl an Pseudo- und Paramedizinern und deren Motivation ist manchmal allzu offensichtlich. Da wären wir beim Thema: Wer bezahlt den Hausarzt?
Selbst langjähriger Hausarzt, plädiere ich für eine profane Mischkalkulation. In den Topf dieser Mischung gehören die Aussagen: 1. Wir Ärzte sind alle nicht arm 2. Die Zahl der Patienten mit Bagatellerkrankungen und nebensächlichen Sorgen ist riesig, hier kann Zeit gekürzt werden und 3. gibt es einen Lohn neben der baren Münze. Je länger ich mich selbst mit dem Thema „Gespräch mit Schwerkranken“ beschäftige, umso mehr wird mir klar, warum ich selbst so zufrieden damit bin – es bringt keinen Cent, aber jede Menge Dankbarkeit.
Diese Artikelreihe wird in loser Folge fortgesetzt.
Wer sich dem Thema Krebs und Heilkraft der Bewegung unterhaltsam nähern möchte, dem sei die Liebesgeschichte Aus der Wand empfohlen.