“Die saisonale („interpandemische“) Influenza gehört zu den Infektionskrankheiten
mit den höchsten bevölkerungsbezogenen Sterblichkeiten (Mortalität).” Diese Info findet jeder im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch Instituts (35/2007). Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes spricht von 7.000 bis 13.000 Todesfällen jährlich, die der Influenza zuzuordnen sind. Das Institut für Virologie der Charité hat gar 20.000 Todesfällen jährlich ermittelt.
Doch nicht die “gewöhnliche” Influenza ist der Grund dafür, dass der Kellner meines chinesischen Stammrestaurants mir heute Mittag den Begrüßungshandschlag verwehrte. Nein. Der Grund für die “Rücksichtnahme” war die momentan noch ”Schweinegrippe” genannte Krankheit, die seit dem Wochenende in aller Munde ist und bislang nach neuen Schätzungen sieben Todesopfer in Mexiko gefordert hat. Diese Unverhältnismäßigkeit in der Reaktion erschließt sich mir nicht ganz.
Auch vor diesem Hintergrund überhaupt nicht nachvollziehen kann ich, wieso mit Bekanntwerden der Schweinegrippe nicht unverzüglich Maßnahmen ergriffen wurden. Von Anfang an war die Rede davon, dass diese Grippe aufgrund des Reiseverkehrs in die ganze Welt geschleppt werden kann. Warum kam dann angesichts der scheinbar dramatischen Situation niemand in Deutschland auf die Idee, Reisende aus Mexiko zunächst, quasi in Quarantäne, zu beobachten, bevor man sie schließlich ins Land lässt. Stattdessen wurde an die Vernunft appelliert, nur dann nach Mexiko zu reisen, wenn es “dringend erforderlich” sei. Wer dringend nach Mexiko reist, kann die Schweinegrippe also nicht einschleppen?
Spiegel online meldet heute: “Das Land Hessen prüft nach der verschärften Pandemie-Warnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) strengere Kontrollen am Frankfurter Flughafen.” Noch strenger als schauen, ob jemand eine laufende Nase hat?
Statt Nägel mit Köpfen zu machen, wird nun allen Ernstes darüber diskutiert, ob das Wort Schweinegrippe nicht negative Auswirkungen auf europäische “Schweineproduzenten” haben könnte. Das israelische Gesundheitsministerium protestiert nach Angaben von tagesschau.de sogar heftig gegen die Bezeichnung Schweinegrippe, da dies eine Beleidigung für Juden und Muslime darstelle, die Schweine als unrein ansähen. “”Wir sollten lieber von einer ‘Mexikanischen Grippe’ sprechen und nicht von einer Schweinegrippe”, wird der stellvertretende Gesundheitsminister Jakov Lizman zitiert. Ich persönlich finde, das ist für die Mexikaner auch nicht gerade schmeichelhaft.
Fazit: Raider heißt jetzt Twix, und die Schweinegrippe heißt jetzt Neue Grippe – sonst ändert sich nix.
(Melanie)