Aufruf an die Delegierten des 112. Deutschen Ärztetages

Ablehnung des Projekts „Elektronische Gesundheitskarte“ (pdf)

Auf dem Deutschen Ärztetag 2008 wurde die e-GK diskutiert, die Diskussion dauerte 7 Stunden, es gab 70 Wortbeiträge. Am Ende der Diskussion wurde folgender zentraler Passus in das 40 seitige Telematikpapier der Bundesärztekammer eingefügt, anschließend wurde dem Antrag mit großer Mehrheit zugestimmt:

„Eine bundesweite Telematikinfrastruktur mit der verpflichtenden Online-Anbindung und der Speicherung von Krankheitsdaten in einer zentralen Serverstruktur wird abgelehnt: Eine Neukonzeption des gesamten Projektes ist erforderlich.“

Dieser Satz fasste die Diskussion zusammen.
Diese Kernaussage stimmt mit der berechtigten grundlegenden Kritik der Ärzte an diesem Projekt überein.
Das e-GK Projekt widerspricht der europäischen Berufsordnung, die Folgendes aussagt:

„Der Arzt darf nicht bei dem Aufbau elektronischer Patientendatenbanken mitwirken, die das Recht des Patienten auf Schutz seiner Intimsphäre, die Sicherheit und den Schutz seines Privatlebens gefährden oder schmälern. Jede Patientendatenbank muss einem Arzt unterstellt sein, der namentlich benannt wird. Patientendatenbanken dürfen keine Verbindung zu anderen Datenbanken aufweisen.”

Quelle © Bundesärztekammer •1987,ergänzt 1995, letzte Änderung 26.06.2006 Internetseite BÄK.

Die gesamte Konzeption des Projektes elektronische Gesundheitskarte entspricht dieser europäischen Berufsordnung nicht.

Eine Neukonzeption würde also bedeuten, die gesamte Speicherung von Krankheitsdaten in zentralen Serverstrukturen außerhalb des geschützten Arzt-Patient-Verhältnisses sofort zu streichen. Es würde in Bezug auf die elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen bedeuten, nur noch die gerichtete Punkt zu Punkt Kommunikation zwischen den ärztlichen Behandlern zu fördern, allerdings nach den Sicherheitsstandards, die die Bundesärztekammer im Mai 2008 schon veröffentlicht hat.

Eine bundesweite Telematikinfrastruktur mit der verpflichtenden online Anbindung und der Speicherung von Krankheitsdaten in einer zentralen Serverstruktur wird abgelehnt!

Das ist es, was die deutsche Ärzteschaft 2008 gefordert hat. Diesem Beschluss fühlt sich der Vorstand der Bundesärztekammer anscheinend nicht verpflichtet. Der Telematikbeauftragte der BÄK hat schon kurz nach dem Ärztetag 2008 in der Presse massive Werbung für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gemacht. Jetzt bringt der Vorstand der BÄK einen Sachstandsbericht zum e-GK Projekt. Darin steht:

„Fazit:

Die Bundesärztekammer sieht in der Einführung der e GK und der Telematikinfrastruktur Chancen für eine bessere Versorgung der Patienten und eine leichtere Zusammenarbeit der Leistungserbringer untereinander. Sie ist überzeugt, dass die e GK kommen wird; keine der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien fordert einen Stopp der e GK. Eine konstruktiv-kritische Begleitung durch die Ärzteschaft in- und außerhalb der Gremien der gematik ist unerlässlich, um Belange aus Patienten- und Arztsicht geltend zu machen. Ein Boykott wird zu Ergebnissen führen, die nicht im Sinne von Ärzten und Patienten sind.“ „Im Ergebnis zeigt sich ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den Anforderungen der Ärzteschaft und der Position des BMG“.

Und gleichzeitig wird konstatiert:

Die ernüchternden Testergebnisse waren nicht geeignet, um zur Steigerung der Akzeptanz der eGK beizutragen, im Gegenteil: sie haben das Zutrauen selbst der technikaffinen Ärztinnen und Ärzte in den Testregionen erschüttert.“ (aus dem Sachstandsbericht BÄK an die Delegierten des 112. DÄT 11.5.2009)

Und weiter heißt es in dem Bericht:

„Die gematik hat, auch in Abbildung der Ärztetagsforderungen, ihre Konsequenzen daraus gezogen und das e GK-Projekt neu konzipiert. Die Anwendungen Notfalldaten, e-Rezept, Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung und Patientenakte wurden zeitlich nach hinten geschoben. Die Komplexität und somit die Fehleranfälligkeit wurden aus dem Projekt genommen.“

Es gibt keine inhaltliche Neukonzeption des Projektes!

Als vermeintliche Neukonzeption das nach hinten Schieben nicht funktionierender Anwendungen zu bezeichnen ist schon eine erstaunliche Interpretation.

In den 3 Anträgen der Bundesärztekammer zum Thema EGK VIII-34, V-III35 und V-III– 36, die vermutlich nicht ganz unabsichtlich völlig an das Ende des deutschen Ärztetages geschoben wurden, möchte der Vorstand der BÄK inhaltlich erreichen, dass

  • Dem Projekt von Seiten der Ärzteschaft zugestimmt wird. Diese Interpretation wird einen Tag später von Ministerium, gematik und Industrie kommen.
     
  • Man fordert, dass noch viele Tests durchgeführt werden sollen, obwohl alle Anwendungen in den bisherigen Tests gescheitert sind, auch das reine Auslesen der Daten auf der Karte dauerte 5-7 mal so lange wie jetzt.
     
  • Man fordert Freiwilligkeit für die Ärzte, obwohl gleichzeitig klar ist, dass der Bundesmantelvertrag Ärzte, abgeschlossen von KBV und Spitzenverband Bund am 22.4.2008 alle Kassenärzte zwingen wird, die Onlineanbindung und alle vom Ministerium geplanten Anwendungen inklusive der Identitätsprüfung durch die Ärzte mittels eines nicht identitätsgeprüften Fotos vorzunehmen. Dieser Vertrag wird die Ärzte zwingen, jeder von unseren beteiligten Vertretern weiß das. Und die Patienten werden jetzt schon von den Kassen mit unzulässigen Behauptungen („Sie müssen ihr Foto abgeben, sonst gefährden Sie ihre medizinischen Versorgung…“ unter Druck gesetzt, an der e Card teil zu nehmen.
     
  • Die detaillierte Ausführung zu den folgenden Tests durch die BÄK überfordert alle Anwesenden des deutschen Ärztetages, da keine Zeit besteht, die Inhalte dessen zu verstehen und ist deshalb nur geeignet,, die vom Vorstand der BÄK gewünschte „Generalzustimmung“ zu diesem Projekt praktisch einzuholen.
     
  • Die Aktualisierung der Versichertenstammdaten in die Arztpraxen zu verlagern, würde diese Folgen haben: Die Arztpraxen gehen alle sofort online, genau das, was sie unter den Bedingungen einer von Herrn Hoppe selbst kritisierten Rolle als „Berufsgeheimnisträger zweiter Klasse“ nach dem BKA Gesetz nicht wollen.
     
  • Zu Beginn jedes Quartals würde das Gesundheitswesen wegen der hervorgerufenen Zeitverzögerung und Störungsanfälligkeit einer solchen Mammutinfrastruktur lahm liegen. Warum die Arztpraxen und Krankenhäuser auch noch freiwillig einen großen Teil der administrativen Tätigkeit der Krankenkassen übernehmen sollen , entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen.
     
  • Es können von den Krankenkassen minutenaktuelle Bewegungsprofile für Patienten erstellt werden.
     
  • Die Übernahme der Verpflichtung zur online Versichertenstammdatenaktualisierung ist aus diesem Grund abzulehnen.

Zum Ende verweisen wir erneut auf den weiteren zentralen Beschluss des letzten Jahres:

Der 111. Deutsche Ärztetag lehnt die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in der bisher vorgelegten Form ab, weil sie mit dem Grundvertrauen der Patienten in unser ärztliches Berufsethos nicht vereinbar ist und das bewährte Konzept von einer am Individuum und seiner individuellen Lebensgestaltung orientierten Humanmedizin in unserer Gesellschaft zerstört.

Genau das sollte das Ergebnis des 112. Deutschen Ärztetages sein.

Die in der großen bundesweiten Bürgerinitiative „ Stoppt die e- Card“ zusammen geschlossenen 46 Organisationen und Verbände aus allen Bereichen unserer Gesellschaft fordern den Deutschen Ärztetag auf, seine Verantwortung wahr zu nehmen und dieses vor allem für die Versicherten teure, unsinnige und gefährliche Projekt zu stoppen, welches eine Entwicklung hervorruft, die niemals wieder rückgängig gemacht werden kann. Am 25.5.2009 findet im Deutschen Bundestag eine Anhörung zum Thema e-GK statt, auf Antrag der FDP und der Partei“ Die Grünen“. FDP und Linkspartei unterstützen im Übrigen sehr wohl unsere Forderung nach einen Stopp des bisherigen e-GK Projektes.

Dr. Manfred Lotze
Dr. Silke Lüder
Sprecher der Aktion „ Stoppt-die-e Card“ 21.5.2009

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