Fenster putzen statt Biochemie lernen

Putzen macht dann Spaß, wenn Lernen angesagt ist (MEV)

Kennt ihr Prokrastination? Wenn nicht, dann dürfte euch bestimmt die “Aufschieberitis” geläufiger sein. Früher oder später trifft dieses Symptom jeden einmal. Denn eine ungeliebte Aufgabe vor sich herschieben und dafür lieber anderes tun, ist zutiefst menschlich. Mal schnell noch den YouTube-Link eines Freundes ausprobieren, eben noch drei e-mails schreiben oder ganz kurz den verklebten Herd putzen und das Gefrierfach abtauen … merkwürdig, dass schon wieder drei Stunden vorbei sind.

Die Devise “Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen” früherer Generationen hat nicht jeder so verinnerlicht, dass er sich frisch und ohne Ausweichtaktik an sein Arbeitspensum macht. Doch was tun, wenn keiner mehr kontrolliert, ob die Hausaufgaben gemacht sind? Wenn man eigentlich lernen sollte und den Lernberg vor sich herschiebt, immer in der Hoffnung, der Einstieg würde sich ganz von alleine ergeben?

Patentrezepte gibt es keine. Nur die üblichen Tipps wie

  • einfach anfangen! Es ist leichter, als gedacht.
  • nicht so hohe Ziele setzen! Du musst nicht gleich der Crack in Chemie werden, nur weil du dir vorgenommen hast, die Nase ins Chemie-Buch zu stecken.
  • früh anfangen! Nutze die Chance, die Praktika, Seminare, POL-Gruppen und Testate bieten, nämlich den Lernstoff in kleine Häppchen aufzuteilen und ganz kontinuierlich dabei zu bleiben.
  • aufholen! Wenn in einem Fach ganz große grundsätzliche Lücken klaffen, dann solltest du dir speziell dafür zwei Wochen Zeit nehmen. Und zwar gerade dann, wenn es im Semester noch nicht so stressig ist oder wenn alle Prüfungen vorbei sind. Teile dir den Lernstoff in überschaubare Einheiten und versuche, die wichtigesten Grundlagen zu lernen.
  • Verbündete suchen! Such dir einen Kommilitonen/Kommilitonin, denen es genauso geht und frag sie/ihn, ob sie Lust haben, gerade in dem ungeliebten Fach eine Lerngruppe zu gründen. Trefft euch einmal die Woche und vereinbart, wer bis dahin was gelernt haben sollte. Das schweißt ungeheuer zusammen (wenn’s funktioniert)
  • Belohnung überlegen! Wenn du zwei (drei, vier – je nach Pensum) Stunden gelernt hast, darfst du telefonieren, was Leckeres essen, den Zimmernachbarn besuchen (wenn der nicht gerade lernt), ins Kino oder ins Schwimmbad gehen.
  • Verabredungen eingehen! Eine längere Lernphase steht man ganz gut durch, wenn man sich z.B. jeden Abend ab 8 Uhr mit einem Freund/Freundin oder Leidensgenossen trifft. Übers Lernen darf aber nicht geredet werden. Ebenso kann man sich für eine Stunde zum Mittagessen oder Spazierengehen verabreden – natürlich nur dann, wenn man vorher drei Stunden gelernt hat.
  • Nicht mit dem langweiligsten Thema beginnen! Wer zum Perfektionismus neigt, will ja, wenn überhaupt, dann das GANZE Fach beherrschen. Da das aber zu viel ist, fängt man gar nicht erst an. Falsch gedacht! Sucht euch in diesem Fach das spannendste Thema heraus, weil es vielleicht gerade aktuell ist oder weil ihr damit Eindruck schinden könntet, wenn ihr genau wisst, wie es sich damit verhält – und arbeitet euch so vom Interessantesten zum Uninteressantesten vor.
  • Kontrollanrufe vereinbaren! Wer einfach nicht von alleine an den Schreibtisch kommt, sollte sich vielleicht einen privaten Coach engagieren, der die Funktion von Mama und Papa übernimmt. Anstatt dass letztere “Du lernst doch, oder?” ins Zimmer rufen (während die spannende Lektüre hektisch unter der Schreibtischauflage verschwindet) ruft ein privater Coach an und fragt nach, ob die erste Einheit schon gelernt ist. Da man eigentlich nicht als Versager dastehen möchte, fängt man spätestens jetzt mit dem vorgesehen Kapitel an. Dieser Tipp funktioniert nur, wenn der Anrufer wenigstens über ein bisschen Autorität verfügt.
  • Neue Lernmethoden ausprobieren! Lest euch gegenseitig einzelne Kapitel vor und prüft danach, wie viel hängen geblieben ist. Oder nehmt aus einem Fallbuch einzelne Fälle auf (selbst am PC mit Mikrofon vorlesen) und hört die Aufnahmen beim Joggen oder in der U-Bahn, bis ihr sie auswenig könnt. Auch “Spickzettel” schreiben übt, nur die wichtigsten Fakten zu extrahieren.
  • Einen Tag putzen! Wenn es wirklich so dreckig in der Wohnung ist, dann fang doch tatsächlich die Lerneinheit mit Putzen an. Wenn dann die Küche strahlt, der Boden und die Regale staubfrei sind, die Blumen gewässert, der Hamster gemistet, die CDs aufgeräumt und die Wäsche gebügelt ist, fühlst du dich in deinem Umfeld vielleicht wohler (wobei das Geschmackssache ist – macher lernt in seinem Tohuwabohu leichter – so war’s jedenfalls früher bei mir). Zumindest springen dir während des Lernens nicht mehr so viele Ablenkmöglichkeiten ins Auge.
  • Wenn alles nicht klappt, eine Liste mit den Tätigkeiten anlegen, die einem am meisten Spaß machen. Wenn diese Tätigkeiten überhaupt nichts mit dem Medizinstudium und dem Arztberuf zu tun haben, sollte man einfach noch einmal ehrlich überlegen, ob es einen anderen Beruf bzw. ein anderes Studium gibt, das den eigenen Interessen näher kommt. Denn es wird erfahrungsgemäß nicht grundlegend anders im Studium und erst recht nicht im Beruf! 

Bei mir bricht die Prokrastination bei schwierigen Artikeln durch – wenn mir leider der erste Satz nicht einfallen will, obwohl mir der perfekte Artikel schon vor Augen ist. Da hilft auch nur ein Trick: den ersten Satz weglassen und mittendrin mit dem Schreiben anfangen. Der Artikel entwickelt sich dann meist wie von selbst. Und der Anfang wird am Ende geschrieben.

Ach ja, es gibt noch einen Anfall von akuter Prokrastination: Meine Fenster hätten es bitter nötig. Leider habe ich keine Medizinstudenten im näheren Umfeld, die sicher gerne einmal zum Fensterputzen vorbeikommen würden anstatt Biochemie zu lernen. :-)

Aktuell gibt es einen Artikel von Spiegel online zu diesem Thema:

Das hat doch noch Zeit …

(Uli)

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