Ihr wisst ja, dass meine zweite Heimat Berlin ist. Daher war der Besuch des Dokumentarfilms “In Berlin” vergangene Woche ein Muss. Mein Partner, der Berliner ist und hier in Esslingen im Exil lebt und meine große Tochter, die ebenfalls in Berlin geboren ist, waren dabei. Alle drei fanden wir den Film super, wenngleich der Blick auf die Hauptstadt als Zugereister und Berlin-Fan und als geborener Berliner eigentlich ein anderer ist.
Die Zugereisten machen aus allem einen Kult. Das war damals so und ist heute so. Manche sagen, man kann gar nicht mehr im Prenzlauer Berg wohnen, weil dort die Berufs-Eltern und die Menschen, die ihr Leben dort so gerne zelebrieren, einem gehörig auf den Geist gehen. Für manche ist Neukölln trotz des sozialen Abstiegs ein Geheimtipp, andere schwören auf Kreuzberg wie eh und je. Die Gutverdiener wohnen in Mitte. Nun aber zum Film: Regisseure waren Michael Ballhaus und Ciro Capellari. Ballhaus, ein erfahrener Kameramann, kehrt nach 20 Jahren Hollywood in seine Heimatstadt Berlin zurück. Da tauchte die Idee auf, einen Film über die Stadt zu drehen, die er zusammen mit Ciro Capellari verwirklicht. Capellari stammt aus Buenos Aires und lebt seit 84 in Berlin. Er ist Kameramann und Regisseur und zusammen treiben sie aus der Bekanntschaft genug Leute auf, die bereit sind, einen kleinen Einblick in ihr Leben und ihr Tun zu geben.
Eiegntlich sollte Capellari an dem Kinoabend in Stuttgart anwesend sein, musste jedoch von dem Produzenten des Films vertreten werden, weil er genau an diesem Tag einen Drehtermin im Vatikan bekommen hat, Er dreht derzeit einen Film über den Papst.
Wie dreht man einen Film über Berlin? Die Frage stellte ich dem Produzenten, denn es gibt so viele Wirklichkeiten – alles ist nur ein Ausschnitt und abhängig von den Personen, die gezeigt werden. Wowereit, Steinmeier, die Künstlerin Danielle de Picciotto, Nele, die Tochter der Schauspielerin Angela Winkler, Schlingensief, der Locationscout Gerke Freyschmidt, der Schüler Jan Reinwein und viele andere. Die Antwort lautet: Es handelt sich um einen Autorenfilm, anders als zum Beispiel Prinzessinenbad.
Wie ein Puzzle setzt sich der Film zusammen, die Aufnahmen sind stark und zeigen viele gewohnte und ungewöhnliche Ansichten; die üblichen Brüche einer Stadt, die nie fertig ist, die ihren Charme durch Baustellen und Ruinen entwickelt und deren geschichtsträchtige Orte und Straßen die Protagonisten zu schwärmenden Rückblicken auf ihr Leben hier veranlassen.
Wer hier wohnt, hat eine besondere Beziehung zu Berlin. Und wer dort nicht mehr wohnt, fühlt sich mitgenommen und erinnert sich gerne an die Zeit, als man selbst noch Teil dieses Geschehens war. Ich kann den Film nur empfehlen. Besonders schön ist der Ausklang mit dem Song der Einstürzenden Neubauten, der Band, die schon vor 30 Jahren dort aufgetreten ist: “Ich warte …..”
(Uli)
Ich warte auch! Auf den nächsten Berlin-Besuch. Hier ist übrigens noch die Myspace-Seite der Collapsing New Buildings. Die Band hat sich 1980 gegründet, ihre ersten Konzerte konnte man also vor 29 Jahren besuchen