Verschreibungspolitik am Beispiel von Simvastatin

Simvastatin ist ein Mittel, das den Cholesterinspiegel senkt. Der Effekt ist bei jedem Menschen unterschiedlich stark, aber unbestritten. Zweifelhaft ist eher, ob ein Cholesterinspiegel gesenkt werden muss und wer, wie, welche Richtgrößen ermittelt. Je strenger der Oberwert gehandhabt wird, um so mehr Bevölkerungsanteil ist “krank” und um so mehr fettsenkende Medikamente können umgesetzt werden. Aber stellen wir dieses Problem zurück. Es gibt neuerdings ein ganz anderes Problem mit den Cholesterinsenkern und in diesem Zusammenhang ist das Beispiel Simvastatin nur eines von vielen.
Verschreibungsfähigkeit von Simvastatin ist beschränkt worden.
Bislang wurde die eindeutige Marschroute für uns Hausärzte ausgegeben, dass ein erhöhter Cholesterinwert behandelt werden sollte, je nach Höhe und Bedeutung auch medikamentös. Richtgrößen für einen behandlungsbedürftigen Cholesterinspiegel gab und gibt es viele, hier seien nur einige aufgezählt:
200 + Alter, auf jeden Fall unter 200, höchstens 250, über 300 ist katastrophal und, und, und. Hierbei ist die Trennung von “gutem” und “schlechtem” Cholesterin noch gar nicht berücksichtigt. Alles in allem ist Simvastatin zu einem Rezeptschlager unter den Medikamenten geworden. Seit dem 1.4.09 gibt es neue Verschreibungsrichtlinien, die unter anderem auch das Simvastatin betreffen. Da heißt es frei zusammengefasst:
Simvastatin ist nur noch zu Lasten der Krankenkassen verschreibungsfähig, wenn
1.
  der betreffende Patient einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall in seiner Vergangenheit erlitten hat oder eine Krankheit von vergleichbarer Bedeutung (Bypass, Stent, Halsschlagader-OP), oder
2. der betreffende Patient mehr als 20% Risiko in sich trägt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten 10 Jahren zu erleiden.
Diese Anordnung lässt man sich als Hausarzt gern auf der Zunge zergehen. Da werden also plötzlich keine Laborwerterhöhungen mehr therapiert (was im Grunde sehr vernünftig ist), sondern da muss Risiko abgeschätzt werden. Das heißt, grob von mir geschätzt fallen etwa 60 – 70% aller Simvastatin-Verschreibungen nicht mehr in die Zuständigkeit der Krankenkassen und müssen vom Patienten selbst getragen werden. Einsparung im Medikamenten-Budget in Millionenhöhe sind hier zu erwarten. 
Komplette Kehrtwende in der Therapie
Diese nahezu revolutionäre Veränderung der Rezeptierfähigkeit von Simvastatin findet sich in einem kleinen Absatz innerhalb einer viele Seiten umfassenden Bekanntmachung, geradezu versteckt als ob sie sich schämt. Müsste sie nicht, der Ansatz ist ja gut. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie als Hausarzt übersehen so eine Bekanntmachung (was sehr leicht passieren kannt). Dann passiert Folgendes: Liegen Sie irgendwann mit Ihrem Verschreibungsverhalten zu hoch, werden Sie geprüft. Dann wird festgestellt, dass Ihr Verschreibungsverhalten, was Simvastatin betrifft, ja vollkommen falsch war. Schwupp, werden Ihnen ein paar tausend Euro vom Honorar abgezogen, gern mit drei bis fünf Jahren Verzögerung.
Merkt der geneigte Leser, wohin die Last solcher Richtlinien geht? Zum Hausarzt und zum Patienten, beide die letzten Glieder in einer langen Kette der Gesundheitspolitik. Gern werden diesen beiden in neueren Zeiten auch aufeinander gehetzt, oder wer, glauben Sie, hat die Diskussion mit den Patienten, die zurecht verwundert bis empört sind, bei so einer gravierenden Veränderung im Verschreibungsverhalten?
Das sind genau die Dinge, die deutschen Ärzten den Hausarzt-Beruf verleiden, und warum wir keinen Nachwuchs bekommen.

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