Ein weiteres, großes Problem stellt seine Impulsivität dar. Oft reagierte er überempfindlicher auf Außenreize, kann sich sehr schnell über Kleinigkeiten aufregen. Zum Beispiel, wenn Sachen seiner
Meinung nach ungerecht ablaufen. Auch hat Björn eine verringerte Frustrationstoleranz. So kommt es vor, dass, wenn Dinge, die nicht so klappen, wie er es sich vorgestellt hat, zerschlagen, oder
in die Ecke gefeuert werden.
In Konflikten schmeißt Björn Türen, schuppst und schreit. Es passiert, dass er sich, andere Kinder und Erwachsene durch sein plötzliches Schreien, um sich schlagen oder Dinge herum werfen,
erschrickt und/oder verletzt. Er hat sich in diesen Momenten nicht im Griff. Anschließend tut es ihm leid und er entschuldigt sich reumütig.
Eine belastende Situation für ihn, die Eltern und das Umfeld. Viele Kinder meiden ihn inzwischen, was den Druck weiterhin erhöht.
Während seiner Kitazeit waren nur wenige Sachen auffällig. Er war zwar mal verträumt, Aggressivitäten gab es auch ab und an. Doch hier war der Druck noch nicht so hoch, wie in der Schule, deshalb
blieben Björns Ausfälle im Rahmen.
Auch andere Kinder waren so, die Eltern machten sich noch keine Sorgen.
Doch dann kam die Schuleingangsüberprüfung. Björn kam unter Druck. Die Anspannung war riesig, Er „versagte“, so dass hier das erste Mal der Verdacht auf ADHS geäußert wurde. Man wollte abwarten,
da es in einer solchen Prüfungssituation schwierig sein könnte, Aufgaben zu lösen und zu bearbeiten.
Doch Björn schaffte die Schuleingangsphase nicht, er musste das erste Jahr wiederholen. Aber da waren noch einige andere Jungs in der Klasse, die es auch nicht schafften, die ähnlich wild waren,
die Klasse war so und so sehr unruhig. Außerdem lag es zum größten Teil an den zu hohen Anforderungen, an der strengen Lehrerin oder an der zu frühen Einschulungszeit für Jungs, so die Vermutung
der Eltern.
Die Arbeitsblätter waren Björn nun alle schon bekannt und doch konnte er sie nur mit Mühe bearbeiten. Er reagierte immer emotionaler auf die Motivationsversuche der Eltern und Lehrer. Häufig
verweigerte er sich nur noch, er fing an zu fluchen, andere zu beschimpfen und zu drohen. Im Unterricht kaute er ständig an seinen Fingernägeln oder an Stiften, um seinen inneren Zustand zu
kompensieren.
Sport und Wettkämpfe liebt er. Björn treibt viel Sport im Verein und verausgabt sich sehr gern. Verlieren fällt ihm aber sehr schwer. Wenn er nicht gewinnt, kann er das nicht locker sehen,
steigert sich enorm hinein, wird ungeduldig und ist auch hier schnell frustriert.
Die Eltern ergriffen in den letzten Jahren einige Maßnahmen, um ihrem Sohn den immensen Leidensdruck zu erleichtern. Doch die gravierenden Symptome blieben:
- geringe Frustrationstoleranz,
- Impulsivität,
- Aggressivität,
- fehlende Selbstkontrolle,
- leichte Ablenkbarkeit,
- schlechtes Konzentrationsvermögen,
- stottern bei Erregung,
- Zappeligkeit,
- geringe Auffassungsgabe.
Björns Fallgeschichte kann vielfach, jeweils mit einigen individuellen Abwandlungen, für viele an ADHS erkrankten Kinder in der homöopathischen Praxis erzählt werden. Es ist der klassische
Verlauf des ADH Syndroms.
Das Aufmerksamkeits- Defizit/Hyperakrtivitäts-Syndrom (ADHS) wird durch folgende Hauptsymptome gekennzeichnet:
- mangelnde Konzentrationsfähigkeit,
- erhöhte Ablenkbarkeit,
- gesteigerte Impulsivitität,
- (motorische Hyperaktivität kann, muss aber nicht zu den Symptomen der Aufmerksamkeitsstörung dazu kommen)
- Die Symptome treten vor dem 7. Lebensjahr erstmalig auf.
Im vorgestellten Fall wurde das ADH Syndrom nicht sofort diagnostiziert. Diese Krankheit weist ein sehr komplexes Krankheitsbild auf. Im Gegenzug ist ADHS jedoch heute auch ein „Modediagnose“
geworden. Jede kindliche Verhaltensauffälligkeit bekommt schnell den Stempel „ADHS“ aufgedrückt. Doch die Diagnosestellung sollte nur durch geschulte Therapeuten erfolgen.
Unbestritten ist, dass es sich bei ADHS in der heutigen Zeit um eine häufige Störung handelt. Vor allem Jungen sind betroffen, oder besser gesagt, werden öfter als ADHS-ler diagnostiziert, da
diese ihre Impulsivität eher ausleben und nach Außen richten. Mädchen weisen eher ein „einfaches“ ADHS auf, welches durch das Fehlen, oder das weniger ausgeprägte impulsive Verhalten, schwerer zu
erkennen ist.
Mit einer Ritalintherapie (der Einfachheit halber benutze ich hier „Ritalin“ auch für vergleichbare Medikamente) sollte nur in schweren Fällen des ADHS begonnen werden. Diese Therapie kann
anfangs zwar stabilisierend und für Kinder, Eltern und Lehrer ungeheuer entlastend sein, doch es handelt sich um eine befristete Maßnahme und sollte immer nur ein Teil einer ganzheitlichen
Behandlung darstellen. Dazu gehört ua. die Aufklärung der Eltern, eine Psychotherapie und weitere alternative Behandlungskonzepte (mehr zu den zusätzlichen Therapien im nächsten Beitrag).
Oft verändert sich mit der Einnahme des Ritalins das Wesen des Kindes (anfangs zum „Positiven“): Nicht nur das impulsive Verhalten und die Unruhe kann abgesenkt werden. Es ist nachgewiesen, dass
durch die kurzzeitige Einnahme von Ritalin die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die Konzentrationsfähigkeit sowie die Arbeitsproduktivität stark gesteigert werden.
Doch wie jedes Medikament hat auch Ritalin Nebenwirkungen. Dazu zählen: Gewichtsverlust, Wachstumsstillstand, Schlafstörung, Depressionen, Ängste und Aggressionen. Bei längerer Einnahme kommt es
oft zu einer Toleranzbildung. Das heißt, dass die Tablettendosis im Laufe der Behandlung erhöht werden muss, um die gleiche Wirkung wie am Behandlungsbeginn zu erhalten. Außerdem können
Amphetamine eine körperlichen und psychischen Sucht erzeugen. Beim Absetzen der Tabletten kommen die alten Symptome wieder, die Frustration und Enttäuschung bei Eltern und Kindern ist dann sehr
groß. Daher gibt es keinen Hinweis auf einen positiven Langzeiteffekt. Ritalin heilt nicht, Ritalin hilft meist nur kurzzeitig.
In den meisten ADHS Fällen kann und sollte zuerst mit alternativen, wie zum Beispiel der homöopathischen Therapie begonnen werden.
Gut ausgebildete HomöopathInnen erkennen das Individuelle beim betroffenen Kind und können ein wirksames homöopathisches Arzneimittel verschreiben.
Für den Behandlungserfolg ist es außerordentlich wichtig, dass die Kinder und mindestens ein Elternteil regelmäßig auch zu Nachkontrollen in die Praxis kommen. Denn nur so kann die Therapeutin
die Mittelwahl bzw. Einnahmedosierung anpassen und die Patienten gut behandeln. Auch wenn es nicht auf Anhieb klappt. Mit jedem Behandlungstermin kann die Behandlerin besser verstehen, was das
Problem ist und welche homöopathische Arznei oder Therapie dem Kind helfen könnte.
Wünschenswert ist, auch während der homöopathischen Behandlung, immer ergänzend weitere Maßnahmen anzuwenden. Zuerst sollten die Eltern auch hier regelmäßig das Gespräch mit dem Lehrpersonal
suchen, auflären, besprechen, was es für Probleme und Veränderungen gibt. Über Konflikte sprechen, versuchen diese im Vorfeld abzuwenden bzw. zu vermeiden, Stress (auch TV und Computer)
vermindern, Nahrungsunverträglichkeiten (auch -intoleranzen) testen, Besuch von Eltern-Kindkursen bzw. Elternkuse für Verhaltensprobleme in Alltagssituationen (zB. Triple P ua.)
Oft ist das ganze Familiensystem an ADHS erkrankt. Eine Familien- oder Systemaufstellung bringt in manchen Fällen Licht hinter diese Dynamik.
Versagen alle Alternativen, wird der Druck zu groß, können schulmedizinischen Psychopharmaka zum Einsatz kommen und kurzfristig Erleichterung bringen.
Mehr zum Thema Aufmerksamkeitsdefizit Syndrom (ADHS) und Homöopathie sowie andere Therapiemöglichkeiten demnächst hier im Blog.
Interessante weiterführende und empfehlenswerte Literatur zum Thema:
– Thomas Bonath Homöopathie bei ADHS Verlag Peter Irl erweiterte Auflage 2010