Die gegenseitigen Bewertungen nehmen also ihren Lauf. Vorgeschichtlich wurden ja bereits schon die Äusserlichkeiten an Arzt(praxis) und Patient in den beiden vorhergehenden Artikeln geschildert. Jetzt geht es in medias res: Gegenseitige persönliche Bewertungen.Beispiel eines normalen Arztbesuches in einer fiktiven orthopädischen Praxis:
Teil 1: Aus Sicht des Patienten
Der (männliche) Patient betritt die Praxis. Da er einen Termin hat, wird er freundlich begrüsst und darf im Wartezimmer Platz nehmen. Dort sitzen allerdings bereits 25 andere Patienten. Geistig notiert er sich die Note 2 für den Empfang und die Note 5 fürs Wartezimmer. Er schlägt eine abgegriffene Auto-Illustrierte auf. Mist, sonst nur Frauenzeitschriften, Note 5. Nach 2,5 Stunden Wartezeit kommt er endlich dran, Note 6. Die Laune ist bereits am Boden.
“Der Doktor musste leider notfallmässig in den OP!” ruft ihm eine Arzthelferin zu.
Naja, das hätten die ja auch vorher sagen können, Note 4.
Mit wehenden Fahne kommt der Orthopäde ums Eck. Er sieht aus als ob er keine Zeit hätte.
“Guten Tag, was haben Sie?”
“Äh, ich … seit … ich meine …”
“Ab ins Röntgen!”
Der Haxnarzt flüchtet aus dem Behandlungszimmer. Als er nach einer halben Stunde wiederkommt, erklärt er kurz angebunden, dass er eigentlich nichts habe und drückt ihm ein Rezept mit “Diclofenac” in die Hand.
“Wenn Sie noch Beschwerden haben sollten, gehen Sie zu Ihrem Wald- und Wiesenarzt (Hausarzt)”
Der Patient kocht vor Wut und gibt ihm sofort die NOTE 6 auf einem namhaften Ärzte-Bewertungsportal.
Teil 2: Aus Sicht des Arztes
Seit sieben Uhr behandelt der Knochenarzt Patienten. Das Wartezimmer ist randvoll, da sein Kollege in der Gemeinschaftspraxis selbst einen Bandscheibenvorfall erlitten hat und schon seit sechs Wochen krankgeschrieben ist. Zudem hat er gerade Urlaubsvertretung für einige Ärzte in der Umgebung. Er rödelt so vor sich hin, da stürmt eine Arzthelferin ins Behandlungszimmer.
“Herr Doktor, der Patient mit der Hüft-TEP von gestern blutet wie verrückt!”
Der Arzt rennt in den Operationssaal und muss irgendwie die Blutung stoppen. Nach einer längerdauernden Behandlung kehrt er blass und erschöpft ins Sprechzimmer zurück. Dort behandelt er rasch einen Patienten. Das Wartezimmer quillt über und einige Patienten werden langsam wütend.
Schnellt drückt er dem Patienten noch ein Rezept in die Hand, verabschiedet sich und geht ins nächste Behandlungszimmer. Patientenbenotung, äh, welcher Patient?
Am späten Abend erfährt er von seinem IT-Experten, dass mal wieder einige schlechte Bewertungen über ihn im Internet seien. Entnervt surft er auf die entsprechenden Seiten und versucht eine Gegendarstellung abzugeben. Wo gibts eigentlich ein Patienten-Bewertungsportal? Aber warum will er das jetzt eigentlich wissen?
Was lernen wir nun aus dieser (selbstverständlich vollkommen fiktiven) Geschichte?