Im Netz und anderswo grassiert das Bewertungsfieber, seit Neuestem auch bei uns im Krankenhaus.
Jeder Patient bekommt bei uns vor Entlassung einen Feedback-Bogen.
Keine Ahnung, wer das beschlossen hat, hat wahrscheinlich etwas mit Qualitätsmanagement oder so zu tun.
Tatsache ist, daß die Schwester jetzt jedem zur Entlassung anstehenden Patienten diesen Wisch aushändigen muss.
Das Ding ist eng beschrieben, in kleiner Schrifttype und strotzt vor wunderschön-behördendeutschen Stilblüten.
Auf einer Skala von eins bis zehn soll der sehr geehrte, liebe Patient da bewerten wie ihm der Aufenthalt in unserem Hause gefallen hat.
Letztens bin ich deswegen mal in die Verwaltung zitiert worden.
Mit eisigem Blick wies unser Oberverwalter mich an, Platz zu nehmen.
Dann sagte er erstmal nichts.
Und dann schob er mir wortlos einen dieser Zettel über den Schreibtisch.
“Der war doch bei Ihnen, nicht?”
Ich brauche eine Sekunde.
“Freundlichkeit und Qualität der Aufnahmeuntersuchung: Null von zehn Punkten. Ärztliche Betreuung auf Station: Null von zehn Punkten. Alles andere hat gute Noten bekommen. Sogar das Essen.”
Ich brauche eine Sekunde, um zu begreifen.
Der Patient war eigentlich ein netter Kerl, ich bin gut mit ihm klargekommen. Allerdings war er ein Nörgler, das ist richtig. Ein ziemlicher Nörgler. Über den Chef hat er sich aufgeregt, über die Schwestern, und am allermeisten über das Essen. Kein Tag, an dem er nicht über das Essen gemeckert hat. Und trotzdem zehn Punkte? Und acht Punkte für die Sauberkeit im Zimmer, obwohl er ständig darüber geklagt hat, wie dreckig es hier sei?
Das kann ich nicht glauben.
“Herr Direktor… ich glaube, das muss ein Irrtum sein… vielleicht hat er es genau andersherum angekreuzt?”
Der Direktor schüttelt den Kopf.
Seit der Sache bin ich vorsichtig geworden.
Bei der letzten Visite am Entlassungstag helfe ich den Patienten ein wenig beim Ausfüllen der Bögen.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.