Inzwischen ist es halb vier und ich kann immer noch nicht schlafen. Stattdessen träume ich. Träume davon, dass sie jetzt an meine Tür klopft, leise die Klinke hinunter drückt und hereinkommt, mit offenem Haar undwehendem Nachthemd. Trotz Hinkebein ist sie eine Sekunde später bei mir, klettert zu mir ins Bett und kuschelt sich zu mir. Und dann… Die Sache ist: Ich weiss ja ganz genau, wie sie unter ihrem Nachthemd aussieht! Ich kenne das kleine Muttermal am linken Oberschenkel und die Narbe auf ihrer rechten Schulter. Und ihre Brüste kenne ich auch. Wunderschöne Brüste. Ich habe sie untersucht – während ich Herz und Lunge abgehört und ihren Bauch abgetastet habe hatte sie natürlich noch ihre Unterwäsche an, aber später im OP lag sie splitterfasernackt vor mir. Ich habe ihr in die Augen geschaut, dann ihre Hand gedrückt und ihr alles Gute gewünscht. Und dann habe ich mich nur noch für den gebrochenen Fuß interessiert und habe brav Maul und Haken gehalten. Sie hat von mir erwartet, dass ich mich professionell, sachlich und kühl verhalte. Ich war für sie ein Dienstleister, ein Profi, der weiss, was er zu tun hat, der seine Aufgabe erfüllen soll, nicht mehr und nicht weniger. Und sie war für mich ein gebrochener Fuß..
Wirklich?
Nur ein gebrochener Fuß? Heißt es nicht immer, wir Ärzte sollen unsere Patienten als Menschen sehen? Sie ist ein Mensch.
Und ausserdem eine verdammt attraktive Frau.
Nein, ich darf sie nicht anrufen.
Ich muss an Robert denken, und auf das, was ihm passiert ist, habe ich keine Lust.