Meist zu Anfang des fünften Semesters – also im dritten Studienjahr – beginnt für den Medizinstudenten der Ernst des Lebens. Nach viel Theorie wird man nun zum ersten Mal auf Patienten losgelassen und lernt, wie man einen Menschen richtig untersucht.
Mit Stethoskop, Taschenlampe und Reflexhammer ausgerüstet will man sich ein Bild über den Patienten machen. Die Untersuchungstechniken sind teilweise Jahrhunderte alt und – und werden, in modifizierter Form immer noch genau so angewandt. Manches davon wirkt ein wenig wie ein Ritual (zum Beispiel das berühmte Zunge herausstrecken und “A-Sagen”). In vielen Ländern wird auch im Abschlussexamen das Beherrschen dieser Techniken überpfüft: Der angehende Arzt muss unter Beobachtung einen Patienten untersuchen.
Das A und O ist die Sorgfalt – und die Übung. Gerade am Anfang ist es wichtig, dass man sich an ein festes Schema hält, um nichts zu übersehen.
Dazu gehört, daß man den Patienten vollständig untersucht.
Ich kenne Chefs “der Alten Schule” welche darauf bestanden, daß jeder, grundsätzlich jeder Patient im Krankenhaus bei der Aufnahmeuntersuchung auch “rektal” untersucht wird, also Finger in den Hintern um im Enddarm nach Hämorrhoiden oder Tumoren zu suchen.
Das ist nicht schön.
Aber auf diese Weise habe ich einmal bei einer Patientin einen bislang unbekannten Darmtumor entdeckt. Der Dame hat es nichts genutzt – sie ist trotzdem verstorben. Aber hätte ein Kollege vielleicht ein paar Jahre zuvor ein anderer Kollege daran gedacht und den Widerwillen der Patientin – und seinen eigenen Widerwillen überwunden, dann wäre die Patientin vielleicht noch am Leben.
Und was die Brustuntersuchung angeht:
Ich habe schon einige – nicht viele, aber immerhin mehrere – junge Frauen – noch keine dreißig Jahre alt – an Brustkrebs sterben sehen.