Die Folgende Geschichte gehört vielleicht zu dem, was man heutzutage gerne auf Neudeutsch “Urban Myth” bezeichnet: ein Märchen, eine Krankenhaussage. Ich habe sie nicht selbst erlebt, ich habe sie gehört. Von jemandem, der sie gehört hat, der aber ganz bestimmt…
Ob es also überhaupt passiert ist, weiß ich nicht.
Also gut. Da war diese junge Frau, nennen wir sie Frau Krause. Sie litt an Eierstock-Krebs im Endstadium und kam zur Chemotherapie. Sie kam öfters, immer wieder, und verbrachte den überwiegenden Teil ihrer Zeit im Krankenhaus. Manchmal blieb sie auch einfach nur über Nacht und ging dann tagsüber – zumindest für ein paar Stunden – nach Hause oder in die Stadt um noch ein bißchen den Anschein von Normalität zu leben.
Und aus diesem Grunde gestattete man auch, daß ihr Ehemann über Nacht bei ihr blieb.
Das Zimmer der Beiden war bald mit persönlichen Gegenständen, Bildern, Tüchern (und eigener Bettwäsche!) dekoriert und wirkte halt ein wenig wie ein “richtiges” Schlafzimmer, die beiden Betten hatten sie aneinandergerückt.
Und doch war es ein Krankenhauszimmer.
Und das bedeutete, daß die Nachtschwester regelmäßig ihre Rundgänge machte.
Und einmal hatte eine junge, neue Schwester Nachtdienst – vielleicht hatte sie einfach nur vergessen, anzuklopfen, vielleicht war es Nachlässigkeit, vielleicht auch ein wirklicher Mangel an Taktgefühl.
Jedenfalls kam sie rein… und stellte fest, daß die beiden… unter der Bettdecke… nun ja, nicht nur kuschelten.
Und was machte unsere junge Nachtschwester?
Anstatt taktvoll wieder hinauszugehen schaltete sie das Licht an, klatschte in die Hand und rief entrüstet: “Aber Herr Krause!”
Herr Krause wurde knallrot. Er rollte sich hinüber auf seine Seite des Bettes und zog sich an – immer noch unter dem gestrengen Blick der Schwester.
Die tadelte ihn noch einmal wortreich und vermerkte die Angelegenheit ausführlich in der Krankenakte.
Und vom nächsten Morgen an begann die Geschichte im Flurfunk des Krankenhauses ihre Runden zu machen… bis zum heutigen Tag.
Frau Krause ist kurz darauf gestorben.
Und für die unsensible Nachtschwester schäme ich mich noch heute.
Warum ich die Geschichte dann jetzt hier erzähle?
Ich weiß es nicht.
Vielleicht weil ich den einen oder anderen Kollegen (und mich selbst) vor der einen oder anderen Taktlosigkeit bewahren möchte…