Ein Kommentator hat es richtig erkannt: Die Geschichte von Frau D. war in der Tat nicht tagesaktuell. Es ist schon ein paar Jahre her und ich habe die Sache bewusst ein wenig aufgebauscht: aber ein wahrer Kern ist dran. Der wahre Kern, das ist: ein junger, unerfahrener Medizinstudent (ich) und eine ebenso junge und sehr attraktive Patientin. Ab und zu ein paar Blicke… eine flirtige Bemerkung… und mehr war nicht. Und es gab da einen Moment, in dem mir klar wurde, dass auch in Zukunft aus solchen Dingen niemals etwas werden darf. Zu groß ist das “Machtgefälle” zwischen Arzt und Patientin, auch wenn sich mancher Arzt dessen gar nicht bewusst ist. Die Sache ist ein Tabu. Und zwar schon ziemlich lange: es ist bereits im hippokratischen Eid erwähnt. Aber natürlich gibt es Grenzfälle. Grenzfälle sind zum Beispiel Ex- Patienten oder Angehörige von Patienten. Oder Patienten, bei denen es wirklich nur um Banalitäten ging (etwa eine Schnittwunde oder Husten, Schnupfen, Heiserkeit…) Interessanterweise fehlen in Deutschland in der Tat verbindliche ethische Richtlinien. Die gibts nur im Bereich der Psychiatrie. In anderen Ländern ist man weiter – und rigoroser: In den USA und in Großbritannien zum Beispiel sind sexuelle Kontakte auch zu Ex-Patienten (und in den USA auch zu Angehörigen) strikt verboten. Dort gibt es auch verhältnismässig viel Literatur zu dem Thema. Im deutschprachigen Raum hingegen ist nur relativ wenig dazu geschrieben worden (morgen schicke ich ein paar Links).
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Eine Wintergeschichte
Es war so Abend und ich trödelte als der Dienstarzt vom Dienst in der Notaufnahme rum. Meine zu betreuenden Patienten waren gerade beide zum Röntgen aufgebrochen und vielleicht sollte ich nun eine kleine Pause… aber da rief Station 11 an, die wohl etwas geahnt hatten und baten ganz dringen um ärztlichen Beistand: Schwieriger Patient.
Aha. Hm. Bei Eintreffen auf Station 11 erklärte mir die Schwester missmutig, der erst aufgenommene Patient, wäre mit seinem Zimmer unzufrieden. Ah.
Ich blätterte durch die Akte: „Herr Noczel, 45 Jahre alt mit einer chronischen Bronchitis und einer Lungenentzündung. Zimmer 3.“
Ein beruhigendes Gespräch, der Hinweis, dass wir gerade überbelegt wären, wer kann schon einer logischen Argumentation widerstehen, die dazu noch von einem weißbekittelten Arzt vorgebracht wird.
Dachte ich mit noch so. Haha.
Herr Noczel war auch in Zimmer drei und schon von weitem als unzufrieden erkennbar. Sein Bett hatte er nicht berührt. Seine Tasche stand gepackt auf dem Tisch.
Herr Noczel erzählte mir er habe eine chronische Bronchitis. Und da müsse das Fenster offen sein. Und die Tür. Sonst könne er nicht in dem Zimmer sein. Er bekäme sonst keine Luft.
„Oh. Draußen hat es -2°. Es schneit. Da können wir nicht immer das Fenster und die Tür offen haben. Sie müssen Rücksicht auf die anderen Patienten nehmen. Wir können ihnen aber hier im Zimmer Sauerstoff über eine Nasenbrille oder Maske anbieten, dann…“
Herr Noczel unterbrach mich und schimpfte, dass das Fenster UND die Tür offen sein müssten. Bei seinem letzten Aufenthalt habe er ein eigenes Zimmer gehabt, da wäre das doch gegangen!
Herr Noczel unterbrach mich und schimpfte, dass das Fenster UND die Tür offen sein müssten. Bei seinem letzten Aufenthalt habe er ein eigenes Zimmer gehabt, da wäre das doch gegangen!
„Leider sind wir aktuell überbelegt. Da können wir ihnen kein Einzelzimmer anbieten.“
„Das ist nur weil ich kein Privatpatient bin!“ schimpfte Herr Noczel wütend. Der Wind blies nun einige Schneeflocken herein und es war echt kalt. Die Zimmernachbarn hatten sich prophylaktisch unter ihren Decken vergraben. (Leider hätte es meiner Arztkompetenz vermutlich geschadet, hätte ich auch eine Decke mitgebracht.)
„Das ist nur weil ich kein Privatpatient bin!“ schimpfte Herr Noczel wütend. Der Wind blies nun einige Schneeflocken herein und es war echt kalt. Die Zimmernachbarn hatten sich prophylaktisch unter ihren Decken vergraben. (Leider hätte es meiner Arztkompetenz vermutlich geschadet, hätte ich auch eine Decke mitgebracht.)
„Manchmal muss man Kompromisse eingehen. Ich kann ihnen aktuell kein Zimmer anbieten in dem sie dauerhaft Fenster und Tür offen haben können.“
Herr Noczel und ich drehten uns dann mehrere Male argumentativ im Kreis und Herr Noczel sagte schließlich er würde dann gehen, er habe sowieso nicht hergewollt. Der Sohn habe ihn gezwungen.
Herr Noczel und ich drehten uns dann mehrere Male argumentativ im Kreis und Herr Noczel sagte schließlich er würde dann gehen, er habe sowieso nicht hergewollt. Der Sohn habe ihn gezwungen.
Ich sagte seufzend, dass der Sohn nicht unrecht hätte, würde ihm aber nun einen Kurzbrief für den Hausarzt machen und Antibiotika für den Abend und nächsten Tag mitgeben, außerdem müsse er mir einen gegen-ärztlichen-Rat-Zettel unterschreiben.
„Kein Problem“, sagte Herr Noczel. Ich ging, ich tat und ich betrat mit meinem Kurzbrief und dem versprochenen Antibiotikum Zimmer drei.
„Kein Problem“, sagte Herr Noczel. Ich ging, ich tat und ich betrat mit meinem Kurzbrief und dem versprochenen Antibiotikum Zimmer drei.
Die Zimmernachbarn schauten mich mitleidig an. „Tut und Leid Frau Doktor, sobald sie weg waren, ist der rausgerannt und wir haben ihn vorhin aus dem Fenster zur Straße eilen gesehen.“
Missmutig entledigte ich mich des tollen Briefes samt Zubehör und wanderte zurück in die Notaufnahme, wo meine nun beröntgeten Patienten schon warteten (weil ich ja erst den blöden Brief geschrieben hatte. Und die Schwester wegen des Antibiotikums genervt hatte. Und das Anti-Aufenthalts-Formular suchen musste.)
Eine halbe Stunde später rief Station 11 schon wieder an, die Polizei wäre dran. Für mich. WTF?!
Ein freundlicher Polizist meldete sich und fragte ob wir zufälligerweise einen Herrn Noczel bei uns im Klinikum gehabt hätten? „Warum?!“ „Der behauptet, er wäre bei euch abgehauen und läuft jetzt gerade auf der mehrspurigen Bundesstraße heim.“ „Ah super! Ja, den Teil mit abgehauen kann ich so bestätigen.“
Ein freundlicher Polizist meldete sich und fragte ob wir zufälligerweise einen Herrn Noczel bei uns im Klinikum gehabt hätten? „Warum?!“ „Der behauptet, er wäre bei euch abgehauen und läuft jetzt gerade auf der mehrspurigen Bundesstraße heim.“ „Ah super! Ja, den Teil mit abgehauen kann ich so bestätigen.“
Ich hoffte dann inständig, dass die Polizei Herrn Noczel nicht zurück zu uns bringen würde. Und die Polizei war klug und fuhr ihn exklusiv zu seinem Sohn, der versprach sich um den Vater zu kümmern.
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Artikel von: Monsterdoc