Da ich gerade eine kleine Pause zwischen der Klausur vom WS 03/04 und der Klausur von WS 06/07 einschiebe, kann ich auch endlich mal etwas auf den Blog schicken, dass mir schon seit Tagen durch den Kopf geht.
Dank dem ganzen Anatomie-Chaos habe ich nämlich ganz versäumt euch an meinen Eindrücken der Trauerfeier unserer Körperspender teilhaben zu lassen.
Am Dienstag, dem Tag vor der Anatomie-Klausur, habe ich mich ganz kurzfristig doch noch dazu entschlossen auf die Trauerfeier zu gehen, auch wenn die Zeit ja da schon mehr als rar wurde (wenn man es im Nachhinein betrachtet: gut das ich mir dafür die Zeit genommen habe, die 3 Stunden hätten an der Misere nun wirklich nichts geändert) hatte ich mir doch zu Beginn des ersten Anatomie-Kurses geschworen, dort auf keinen Fall zu fehlen. Aus Gründen des Respekts, der Ehrerbietung und nicht zuletzt meiner guten Erziehung wegen.
Nun habe ich Trauerfeier und Beerdigungen immer gemieden, auch wenn ich bei vielen unserer Kinder durchaus den Bezug dazu gehabt hätte. Jedem geht es wahrscheinlich ähnlich, man fühlt sich vorher, währenddessen und meist noch danach eine Weile sehr stark mit dem Tod verbunden und das ist ein Gefühl, dass ja den meisten von uns Angst macht.
Umso angenehmer fand ich es, dass der harte Kern unserer “Studi-Gruppe” auch dieses Mal zusammenhielt und man sich somit in netter Gesellschaft gemeinsam durch diesen Nachmittag brachte. Sehr schön fand ich aber vor allem, dass es trotz falscher Datumsangabe auf den Uniseiten im Internet und trotz anstehender Prüfungen, Abfragen und Seminaren sehr viele Studenten sich die Zeit genommen hatten um dabei zu sein.
Die Beisetzung der 31 Urnen, fand auf dem Hauptfriedhof Frankfurts in seperat dafür angelegten Gräbern statt, nachdem einige Ansprachen und Orgelmusik in der kleinen Kapelle am Haupteingang ihren Raum gefunden hatten.
Nach der ersten Rede unseres Anatomiedozenten, der das Opfer würdigte, welches uns die Körperspender mit ihrem Vermächtnis erbracht hatten, bedankte er sich auch bei deren Angehörigen und zeigte dabei Verständnis dafür, dass vielleicht nicht jeder mit der Entscheidung der Verstorbenen zurechtgekommen war oder vielleicht sogar deren Ansicht über Sinn und Zweck einer solchen Entscheidung ganz und gar nicht geteilt hatte. Ein Gedanke der mir auch schon ein paar Mal durch den Kopf gegangen ist. Was halten die Angehörigen davon, oder wussten sie überhaupt von dieser Entscheidung sich der Medizin nach ihrem Tod zur Verfügung zu stellen?
Anschließend hatte sich eine unserer Kommilitoninnen dazu bereit erklärt eine Rede zu halten und sie hat ihre Aufgabe in meinen Augen sehr gut gemeistert. Sie beschrieb recht gut was am ersten Tag im Präpariersaal durch unsere Köpfe gegangen ist, wie wir uns gefühlt haben, als wir mit dem Präparieren begonnen haben und wie nach und nach die Scheu und die Angst vor dem toten Menschen vor uns gewichen ist, nicht aber unser Respekt vor ihnen (was ich leider nicht von all unseren Kommilitonen behaupten kann…)
Spätestens bei diesen Worten durchfluten einen Wellen von Dankbarkeit, vor allem wenn man sich selbst schwer vorstellen kann, ein ebensolches Opfer zu bringen. Einer der Abschlusssätze ihrer Rede, hat sehr schön und treffend in Worte gefasst, was man selbst schon manches Mal gedacht oder zumindest gehofft hat:
Mit diesem Geschenk der Verstorbenen, uns ihren Körper nach ihrem Tod zur Verfügung zu stellen, die Möglichkeit zu bieten, von ihnen lernen zu können, ermöglicht uns vielleicht einmal dieses gewonnene Wissen zu benutzen um den Tod eines anderen Menschen zu vermeiden.
Als letzter Redner der Uni sprach ein weiterer Anatomie-Dozent bevor nach den Reden der evangelischen und des katholischen Geistlichen die Urnen von Studenten zu den Gräbern getragen wurden. Er wählte zum Abschluss ein schönes und passendes Gedicht, welches nun auch hier den Abschluss bilden soll…
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ‘ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ‘ne Birn.«
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ‘ne Beer?«
So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn’ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung’ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ‘ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew’ di ‘ne Birn.«
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.