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Büchertipps für Kinder mit Diabetes
Diabetes – Büchertipps für Kinder
Die nachfolgenden Buchtipps sind für Kinder und Jugendliche (manche aber auch für die Eltern) gedacht. Diabetes ist auch bei Kindern und Jugendlichen ein Problem und oft wissen die Eltern selber nicht, wie sie damit umgehen sollen. Einige der nachstehend aufgelisteten Bücher geben auf viele Fragen die richtigen Antworten und nehmen […]
Frage (Update 26)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Update 9: Hier hat sich jemand die beiden rosabedingt unverblindeten Studien genauer angesehen und ist nicht überzeugt.
Update 10: Die Süddeutsche Zeitung freut sich jetzt in ihrem dritten ahnungslosen Artikel mit uns, dass Regividerm überraschenderweise doch nicht erst in 14 Jahren zu haben sein wird.
TV wirkt.
Update 11: In einem hektisch nachgeschobenen vierten Artikel beginnt die Süddeutsche Zeitung jetzt, mit kräftigen Schlägen zurückzurudern. Aber sie glauben immer noch, dass die Studien verblindet gewesen seien:
Nein. Denn wir wissen ja:
[Edit: In der zweiten Studie ging es dann doch, obwohl “das rosa ist”. Der unglaubliche Trick: Die Placebosalbe war auch rosa!]
Und:
Hätte mich ehrlich gesagt auch überrascht.
Update 12: 21.10., 21:00 Jetzt übernimmt Spiegel Online die PR-Arbeit für die Wundersalbe.
Update 13: Martens bekommt bei Frank Plasberg mit einem seltsam deplaziert wirkenden Auftritt noch einmal eine Plattform für seine Wundersalbenmär, eiert aber gewaltig herum und kommt in der Diskussion mit den anderen Gästen schwer unter die Räder (gegen Ende der Sendung). Auch Markus Grill, nicht im Verdacht, ein Pharmalobbyist zu sein, zeigt sich überaus skeptisch. Er weist auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler in der Geschichte hin: Der Preis der Zutaten bestimmt in diesem Markt bekanntermaßen nicht den Preis des Medikaments. Ganz im Gegenteil könnte ein Pharmaunternehmen, das die Patentrechte besitzt, nahezu jeden beliebigen Preis für die Salbe verlangen, wenn sie denn nur besser wirken würde als Vergleichspräparate (wofür es in den beiden vorliegenden Studien keinerlei Anhaltspunkte gibt). Eine zentrale Säule von Martens’ Verschwörungstheorie ist es ja, dass der “günstige” Preis der Salbe quasi vom Erfinder oder durch den geringen Preis der Zutaten vorgegeben sei, und dadurch im Falle einer Vermarktung der Salbe durch Big Pharma der bisherige große Reibach mit teuren (und schlechten) Präparaten ein Ende gehabt hätte.
Update 14: Jetzt ist die Story in den Nachrichten der ARD-Radiosender angekommen. Als Quelle für die Geschichte dient Spiegel Online. Märchen-Ping-Pong.
Update 15: Im Ökotest-Forum, in dem die Geschichte fachkundig kommentiert wird, ist ein weiterer eklatanter Widerspruch aufgefallen:
Er wurde gestern von Plasberg gefragt, was denn Klingelhöller von dem Spinner in der Garage unterscheide.
Martens (sinngemäß): er hat erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten.
Ja klar. Augenrollen
Für das angebliche “Jahr Recherche” ist das aber sehr mager. Er widerspricht damit sogar seinem eigenen Bericht. Aus dem Bericht geht klar hervor, dass die Mini-Studien erst nach 2000 angeleiert wurden.
Das Patent läuft dagegen auf 1994 und er hat das nach dem Bericht nach schon 1994 mehreren Firmen angeboten. hat Martens seinen eigene Film nicht gesehen?
Update 16: Ein Leser weist uns in den Kommentaren darauf hin, dass zur rechtzeitigen Erteilung der PZN (Pharmazentralnummer) für Regividerm eine Anmeldung spätestens am 25.9. notwendig war (links auf “Redaktionskalender” klicken). Dieser Termin liegt vor der ersten uns bekannten öffentlichen Erwähnung der Martens-Doku in einer KNA-Pressemeldung von 29.9. Ist noch irgendeine Aussage der Protagonisten übrig, die sich noch nicht als falsch entpuppt hat? (Siehe dazu auch diesen Kommentarthread. )
Update 17: Regividerm: Wenn die Ethikkommission Urlaub hat…
Update 18: Wir begrüßen fast drei Tage nach der Sendung die Deutsche Apotheker Zeitung als das erste “Mainstream-Medium”, das den Verstand wenigstens nicht komplett an der Garderobe abgegeben hat.
Update 19: Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die Augsburger Allgemeine – die seinerzeit sogar unser Bankhofer-Video eingebunden hatte – schenkt uns einen Link.
Update 20: Auch der zu Beginn des Artikels erwähnte Blogger Fefe rudert jetzt zurück:
Update 21: Nachdem die eidgenössische Presse erst in breiter Front unkritisch auf das Thema eingestiegen war, vernehmen wir jetzt deutliche Worte aus der Schweiz:
Update 22: Aus dem gleichen Text eine Passage, die meine Ausgangsthese noch einmal schwarz auf weiß bestätigt:
Update 23: Die dpa ist zwar spät dran, dafür hat sie trotzdem nichts kapiert. Erbärmlich.
Update 24: Wenigstens die Nachdenkseiten haben, wenn auch spät, das getan, was ihr Name verspricht.
Vielleicht auch ein Vorbild für andere?
Update 25: Der Deutsche Neurodermitis Bund meldet sich zu Wort:
[…]
Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.
Update 26: Unterdessen sackt der vom Lügengebäude übriggebliebene Trümmerhaufen noch weiter in sich zusammen (vgl. Update 16):
Pharmawerbung wird von den Versicherten bezahlt
In den Vereinigten Staaten dürfen verschreibungspflichtige Medikamente gegenüber dem Verbraucher beworben werden. Diese DTC-Werbung (direct-to-consumer) steht von vielen Seiten unter Kritik, selbst in der Pharmaindustrie wird DTC-Werbung als ein Grund für das schwindende Vertrauen der Öffentlichkeit in die Branche angesehen. Eine im letzten Jahr verkündete Werbepause von sechs Monaten für neue Produkte war ein verzweifelter Versuch gegenzusteuern, Bristol-Myers Squibb setzte sich sogar ein Moratorium von einem Jahr.
Eine Studie, die in der der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift “Archives of Internal Medicine” veröffentlicht worden ist, gibt den Gegnern der DTC-Werbung für Arzneimittel weiter Auftrieb. Danach zeigen Werbekampagnen keine Wirkung auf die Verkaufszahlen, verteuern aber das Medikament und damit die Kosten für die Krankenkassen und Gesundheitssysteme.
Der Autor der Studie, Michael R Law, hatte schon 2008 die Wirkungslosigkeit der TV-Spots auf die Verkaufszahlen gezeigt. Eine weitere Studie wies 2006 darauf hin, dass die massive Kampagne für Vioxx in den USA zwar die Arztebesuche beeinflusste aber die Anzahl der Verschreibungen in weitaus geringerem Masse. In der aktuellen Untersuchung wurden zum ersten Mal die finanziellen Folgen analysiert.
Die Wissenschaftler trugen die Verschreibungsdaten für den Blutverdünner Plavix® (Wirkstoff Clopidogrel) der Hersteller Bristol-Myers Squibb (BMS) und Sanofi-Aventis von 27 staatlichen Medicaid-Programmen von 1999 bis 2005 zusammen. Die Verschreibungszahlen stiegen nach dem Start der DTC-Kampagne im Jahr 2001 nicht gegenüber dem Trend an, jedoch erhöhte sich der Preis plötzlich und dauerhaft. Die Autoren führen das darauf zurück, dass Sanofi-Aventis and Bristol-Myers Squibb ihre Ausgaben für die Werbung auf das Produkt aufgeschlagen haben. Das führte zu zusätzlichen Verschreibungskosten von 207 Millionen Dollar. Die beiden Hersteller gaben nach den Angaben im Artikel 350 Millionen Dollar zwischen 2001 und 2005 für die DTC- Werbung aus.
Angesichts der Resultate klingt das Statement der BMS-Sprecherin gegenüber Bloomberg hilflos:
Klar geht es um Umsatz beim Marketing. Die Verschreibungszahlen legen nahe, dass die aktive Rolle der Patienten ziemlich überschätzt wird und damit auch der erwartete Nutzen für die Pharmaindustrie. Es bleiben einzig die negativen Konsequenzen für die Krankenkassen und Versicherten: Neben den direkten zusätzlichen Ausgaben durch die Verteuerung des Produktes, kommen noch Kosten für die Folgen der zum Teil irreführenden Werbung hinzu, beispielsweise unnötige Arztbesuche oder die Behandlung von Nebenwirkungen bei nicht-indizierter Einnahme.
Bleibt die Frage, wie das uns in Europa betrifft. Es gibt in der EU Bestrebungen, das Werbeverbot zu lockern und den Pharmaunternehmen in Print und Internet zumindest die Information des Verbrauchers zu erlauben. Von Abgrenzungsproblemen zwischen Werbung und Information mal abgesehen, die derzeit diskutiert werden – wenn man die Ergebnisse der Untersuchung überträgt, werden die Pharmaindustrie-Informationen die Krankenkassen, Gesundheitssysteme und Patienten zahlen. Niemand bestreitet, dass es Informationsbedarf gibt und die Patienten zunehmend sich im Internet selber schlau machen wollen. Die Verbraucher geben am Ende das Geld aus, dann können sie auch beste objektive Informationen verlangen. Ob diese gerade von den Arzneimittelherstellern kommen werden?