Herr Dr. Penibel ist kein Arzt. Er ist Studienrat. Verzeihung, Oberstudienrat. Deutsch und Geschichte. Und außerdem ist er Ende fünfzig und kuriert bei uns gerade seinen zweiten Herzinfarkt aus.
Neulich bei der Visite setzte er seine Brille auf und mustert mein Namensschild.
“Sie sind nur Assistenzarzt?”
“Das ist richtig.”
“Sie haben sich mir aber als Stationsarzt vorgestellt.”
“Das ist auch richtig.”
“Ich dachte, Sie wären richtiger Arzt…”
“Sie haben richtig gedacht.”
“Warum sind Sie dann nur Assistent?”
“Weil ich mich in meiner Weiterbildung befinde…”
“Sie sagten vorhin, Sie seien Arzt und nicht irgendeine Arzt von Student im Praktikum…”
“Ich bin Arzt. Ich habe mein Studium abgeschlossen und Inhaber einer ordentlichen Approbation. Und ich habe inzwischen mehrere Jahre Berufserfahrung.”
“Aber warum dann Assistent?”
“Herr Doktor Penibel. Ich brauche Ihnen keinen Vortrag über deutsche Geschichte zu halten. Also: Friedrich der Große. Preußischer Militarismus. Gegen Ende des Achtzehnten Jahrhunderts wurde in Berlin eine Ausbildungsstätte für Militärärzte gegründet, die sogenannte Pepieniere. Im Militär waren die Hierarchien klar: Es gab Chefärzte, Oberärzte und Unterärzte. Und dabei ist es geblieben. Seit über zweihundert Jahren. Bloß dass man den Begriff Unterarzt irgendwann einmal etwas altmodisch fand, seitdem redet man von Assistenzärzten.”
“Könnte man das nicht ändern?”
“Warum sollte man? Aber Sie haben Recht: Es gibt
Kollegen, die sich damit nicht abfinden möchten.“
Nur die Frage ist:
Wenn wir keine Assistenzärzte sind, was sind wir dann?
“Ärzte in Weiterbildung”, wie es inzwischen schon vielerorts offiziell heißt? Das klingt auch irgendwie nach Student.
Stationsärzte?
Klingt noch am Neutralsten. Aber was, wenn wir nicht auf Station sondern in der Ambulanz, im OP oder in der Notaufnahme zugange sind?