Letztes Jahr kurz nach meinem Physikum beschloss ich, dass ich mich für all die harte Arbeit belohnen wollte. Der Plan war: endlich mal wieder nach Kanada. Und schon kam sie von allen Seiten, die Frage, die ich schon nicht mehr hören kann: “Ach, und dann machst du eine Famulatur in Kanada?”
Müssen denn Medizinstudenten, sobald sie in den Ferien im Ausland sind, eine Famulatur machen? Wird das von uns so erwartet? Gibt es ein geheimes Abkommen mit dem Zoll, dass deutsche Medizinstudenten nur wieder einreisen dürfen, wenn sie eine Famulaturbescheinigung vorweisen können? Oder ist es für Mediziner so untypisch einfach mal Urlaub zu machen?
Um das also mal klar zu stellen: Ich bin am 30. Juli nach Kanada geflogen. Ich hatte weder Kittel noch Stethoskop im Gepäck. Ich werde 42 Tage bleiben. In dieser gesamten Zeit werde ich keine Famulatur machen. Und um die zweite, meist gleich im Anschluss gestellte Frage, ob ich an meiner Doktorarbeit schreiben würde zu beantworten: Nein, auch das nicht.
Ich mache Urlaub. 42 wundervolle Tage lang.
Ich werde morgens irgendwann aufstehen, was essen und schauen, was der Tag so bringt. Das Konstruktivste, was ich bisher geleistet habe ist Kekse zu backen. Außerdem habe ich ein Buch zu Ende gelesen und Wäsche gewaschen. Aber sonst? Nichts. Gar nichts. Ich bin ziemlich braun geworden, entspannt und ausgeschlafen
All das, würde ich wohl kaum schaffen, wenn ich nebenbei noch eine Famulatur machen würde.
Mein Gedankengang war folgender: Ich habe seit der Zeit nach dem Abitur praktisch jede Ferien im Krankenhaus verbracht, um irgendwelche Praktika und Famulaturen zu machen. Wenn ich die durch hatte, habe ich mich rangesetzt und für irgendwelche Prüfungen, Referate oder Ähnliches zu lernen. Ergo: Mehr als 2 Wochen Ferien waren eigentlich nie der Fall und Ausland schon gar nicht. Allerdings glaube ich wirklich, dass ich mir nach drei Jahren arbeiten und lernen für ein Studium, dass es echt in sich hat und von Studenten wirklich viel verlangt, richtigen Urlaub verdient habe.
Um ehrlich zu sein, wir alle brauchen das ab und zu. Wir haben genug Zeit unsere Famulaturen zu machen und die sollten wir sinnvoll nutzen. Wie ein ehemaliger Professor von mir mal meinte, die Festplatte muss auch mal formatiert werden.
Also noch mal, besonders an die besorgte Familie, die zwischenzeitlich geglaubt hat, mit sechs Wochen frei schaffe ich mein Studium nicht in Regelstudienzeit:
So what? Ohne Urlaub zwischendurch schaffe ich es vermutlich gar nicht.
(Anna, Via medici online-Lokalredakteurin für Lübeck)
Den ersten Teil “nervige Fragen” findet ihr hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten I
und den zweiten Teil “nervige Fragen” gibt’s hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten II
und den dritten Teil “nervige Fragen” gibt’s hier:
Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten III