Gestern hatte ich Dienst. Es war eigentlich den Tag über wie immer, “Bereitschaft” ist halt auch irgendwie ein Scherz, wenn man es definitionsgemäß sieht als “Freizeit unterbrochen von gelegentlichem Anfall von Arbeit”. Meine Arbeit bestand in zwei OPs, ein Abszess, den durfte ich selber machen, das war schön, mein Erstdienstkollege (liebevoll genannt Dienststern) hat sich nicht mal mitgewaschen, und auch wenn so eine Geschichte von Schnitt bis Verband 1o Minuten dauert, fühle ich mich doch immer besonders gut wenn ich operiere und die Einzige am Tisch bin. Dann fühle ich mich, als könnte ich schon etwas, auch wenn der Kollege hnter mir steht und das ganze dirigiert. Also sehr schön. Dann noch – weniger schön – eine Dame mit einer Dünndarmischämie, wahrscheinlich embolisch bei bekannter und nicht suffizient therapierter TAA. Der Dünndarm war über lange Strecken schwarz, wir haben ziemlich viel resezieren müssen… das hat dann doch der Oberarzt gemacht, aber ich durfte den Anus Praeter einnähen. Zum ersten Mal hab ich Darm genäht, das ist schon ein ganz anderes Gefühl, die Nadel gleitet ganz anders als durch Haut. War also aufregend für mich, aber eher tragisch insgesamt, die Patientin ist intubiert auf die Intensivstation gegangen und hatte heute morgen ziemlich hochdosiert Arterenol laufen, wer weiß ob sie das übersteht. Sie hat aber auch echt lange gewartet, bis sie zu uns gekommen ist, aber wenn man bedenkt, dass sie auf ihren eigenen zwei Beinen in die Ambulanz gelaufen kam, ist es doch gruselig, dass ihre Chancen, die Intensiv lebend zu verlassen, relativ gering sind.
Von den OPs abgesehen hab ich noch ein bisschen Visite gemacht, gefühlte 300 Erykonzentrate verteilt und ein paar Viggos gelegt, das übliche halt. Dann war ich rechtzeitig zu Star Wars (kam gestern im Fernsehn, ich hab mir nen Keks gefreut) in meinem Zimmerchen, hab nur zwischendurch kurz telefoniert und dann auch relativ früh geschlafen.
Bis halb vier. Da rief die Rettungsstelle an… ein Mann mit einer Varizenblutung. Kurz war ich maximal alarmiert, bis mein schlafbedingt minderperfundiertes Großhirn den Unterschied zwischen Ösophagus- und Beinvarizenblutung klarhatte. Dann bin ich wieder eingeschlafen. Eine halbe Stunde später ein höflicher Anruf aus der Rettungsstelle, man habe mittlerweile auch die Laborergebnisse und ob ich nicht doch mal schauen wolle… *peinlich* … klar, ich war eh schon so gut wie auf dem Weg.
Ich fand einen relativ unbeeinträchtigten Patienten vor mit einem vom Rettungsdienst angelegten Druckverband. Selbstredend hatte die Blutung darunter längst sistiert, und der Patient konnte gar nicht fassen, dass alles wieder gut war. Er erzählte immer wieder von der riesigen Blutlache zu Hause und dem blutdurchtänkten Handtuch. Ich hab also pro forma ein paar SteriStrips drübergepappt, wieder einen strammen Verband um den Knöchel gewickelt und bin zurück ins Bett gewankt. Undankbar für alle Beteiligten, denn weder hat der Patient jetzt einen goßen Benefit davon gehabt, in die Klinik gekommen zu sein, noch habe ich in irgendeiner Weise das Gefühl gehabt, etwas Sinnvolles zu tun. Aber da mussten wir wohl beide durch, und ich glaube dem Herrn auch sofort, dass der zu Hause wie ein Großer geblutet hat. Tja.
Meine Nacht war auf jeden Fall zerschossen, und deshalb habe ich auch heute wieder den klassischen Fehler begangen, “nur kurz” mich aufs Sofa zu legen. Schön mit Frauenzeitschrift und Teechen. Ich glaube ich habe diese Zeitschrift noch nicht mal angefasst. Sofort weggepennt, dank Mitbewohnerin in den frühen Abendstunden aufgewacht, jetzt dysthym. Mist.
Jetzt gehe ich noch ein Feierabendbierchen mit meiner privaten Balint-Gruppe in Form von meinen Lern-Kumpels trinken. Wird mich hoffentlich a. aufheitern und b. mir die nötige Bettschwere für diese Nacht verpassen… nach meinem Power-Napping von 7 Stunden weiss ich noch nicht so richtig, wie ich das nachher sonst bewerkstelligen soll mit dem Einschlafen zu sinnvoller Stunde. Argh.
In diesem Sinne: Prost.