Gestern Abend habe ich an einer Fortbildungsveranstaltung für Ärzte teilgenommen, die jedes Vorurteil bedient hat, angefangen beim Thema:
Wie vermeide ich einen Arzneimittelregress?
Selbsverständlich eingeladen von einem Pharmaunternehmen. Der Medikamentenhersteller, der zu einer solchen Veranstaltung einlädt, kann sich eines vollen Hauses sicher sein, und so war es auch. Das Geschäft mit der Angst funktioniert auch bei Ärzten.
Ich fuhr also auf den Parkplatz des Super-Golfhotels mit vier oder fünf Sternen. Bis zum Haupteingang hatte ich ein Stück zu gehen und passierte zwei Q7 von Audi, einen M-Klasse Mercedes, zwei 5er Limousinen von BMW, einen Jaguar, einen X5 von BMW, einen unvermeidlichen Porsche (dem vorzugsweise ein auf jung getrimmter älterer Kollege entsteigt) und so weiter und so fort.
An der Rezeption wurde ich in die Kaminstube verwiesen, zu der ein kleines Foyer gehörte, in dem ein kleines, neckisches Buffet auf die Damen und Herren Ärzte wartete. Nichts Besonderes: mit Käse überbackene Auberginen-Scheibchen, mit Gorgonzola-Spinat gefüllte Tomatenscheiben, die unverzichtbaren Morzarella-Sticks, Croissants, Baguette, verschiedene Salate mit verschieden Dressings, Schinkenscheibchen, ein Süppchen unklarer Geschmacksrichtung (ich habe es nicht probiert) und vieles andere mehr. Es war lecker und ziemlich viel Andrang.
Der Vortragssaal füllte sich dann nur schleppend. Das Buffet war bei weitem noch nicht geplündert. Da saßen sie nun die Damen und Herren in ihren Markenklamotten, erkennen konnte ich Joop-Jackets, selbstverständlich Lacoste-Hemden, Calvin-Klein-Hosen, noch etwas zerknittert vom Ledersitz des Phaeton. Alle von der Sorge umgetrieben, dass ihnen ihr Honorar gekürzt werden könnte, weil sie vielleicht zu viel und zu teuere Medikamente verschrieben haben.
Irgendwie ein skurriles Bild, das nun wirklich jedes Klischee erfüllte.
Der Vortrag begann. Ich zückte mein iphone, machte mir eifrig Notizen, glitt mit meinen Gedanken ab, sah auf meine Camel-Schuhe, mein Blick wanderte höher Richtung Hilfiger-Jeans, hin zum Timberland-Shirt. Am Ende war ich irgendwie froh, dass ich in meinem Golf plus nach Hause fuhr.