Jeder siebte vermutete Behandlungsfehler erweist sich tatsächlich als Behandlungsfehler. Dies ergibt eine Auswertung der AOK Bayern. Danach hat die größte Krankenkasse im Freistaat in den vergangenen knapp 15 Jahren 31.824 Patienten wegen des Verdachts auf einen Behandlungsfehler beraten. In 13.731 Fällen gab die Krankenkasse ein für die Versicherten kostenloses medizinisches Gutachten in Auftrag. Bei 4.665 Gutachten bestätigten die Medizinexperten einen Behandlungsfehler. Dies entspricht etwa 15 Prozent der Verdachtsfälle. Die häufigsten Beratungen und Gutachten gab es seit 2000 in den Bereichen Chirurgie (11.359), gefolgt von Orthopädie (3.247) und Zahnmedizin/Kieferchirurgie (2.886). Als eine der ersten Krankenkassen in Deutschland und lange vor der gesetzlichen Verpflichtung habe die AOK Bayern im Jahr 2000 das Behandlungsfehlermanagement als einen wichtigen Baustein zur Stärkung der Patientenrechte und des Patientenschutzes eingeführt, erläutert Dr. Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern. Die Kasse habe sich aus Gründen der Qualitätssicherung und der einheitlichen Sachbearbeitung für die Einrichtung einer speziellen Organisationseinheit, der Patientenberatung mit zwei Fachteams an den Standorten Bamberg und Ingolstadt, entschieden. Zugleich gibt es in der Zentrale der AOK Bayern ein medizinisch-juristisches Serviceteam. Platzer betont, dass die Kasse nicht auf Konfrontation, sondern auf Kooperation mit den Leistungserbringern setze: „Aus Fehlern zu lernen, eine angstfreie Fehlerkultur zu etablieren und dadurch langfristig Fehler zu verhindern, ist im Interesse aller Beteiligten.“ Erste vielversprechende Ansätze gebe es bereits – zum Beispiel eine Kooperation mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit: „Ziel ist es, vorhandene Fallregister systematisch auszuwerten und sich regelmäßig über Risiken und Fehlerquellen in der Medizin offen auszutauschen.“ Dringenden Handlungsbedarf sieht Platzer bei den Medizinprodukten: „Die AOK Bayern fordert ein öffentlich-rechtliches Zulassungsverfahren durch eine nationale oder europäische Behörde, das die Sicherheit und Wirksamkeit von Hochrisiko-Medizinprodukten gewährleistet.“ Hersteller sollten zudem verpflichtet werden, eine Haftpflichtversicherung mit ausreichender Deckung abzuschließen. Der Patientenschutz wäre dann effektiv gewährleistet, wenn der geschädigte Patient gegen diesen Haftpflichtversicherer einen unmittelbaren Anspruch hätte, ähnlich den Regelungen in der Kfz-Haftpflichtversicherung. Wie das Verfahren zur Überprüfung eines mutmaßlichen Behandlungsfehlers in der Praxis abläuft, schildert Melanie Ross, Teamleiterin der Patientenberatung Nord: „Der Patientenberater fungiert als Lotse für die Versicherten. Er führt durch die Komplexität des Arzthaftungsrechts und weist den Versicherten auch auf die Sicherung seiner privaten Ansprüche wie zum Beispiel Schmerzensgeld hin.“ Ross empfiehlt Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, ein Gedächtnisprotokoll über den Hergang zu erstellen und zur Beratung mitzubringen. Udo Schuster, Vater eines betroffenen Kindes, ermuntert alle Eltern, die Beratungsmöglichkeit zu nutzen. So kommt die Haftpflichtversicherung des Arztes, der bei seinem Sohn eine Hüftfehlstellung falsch diagnostizierte, beispielsweise für alle Fahrtkosten zu weiteren deshalb erforderlichen Behandlungen auf. Wie schwierig es sein kann, in manchen Fällen Beschwerden einem Behandlungsfehler eindeutig zuzuordnen, beschreibt der auf Medizinrecht spezialisierte Anwalt Manuel Soukup aus München: „Doch immerhin sieht die Rechtsprechung und nunmehr auch das Patientenrechtegesetz in bestimmten Fällen eine Umkehr der eigentlich den Patienten treffenden Beweislast vor.“ Soukup warnt zudem alle potentiell Betroffenen davor, zu spät zu handeln und damit eine Verjährungsfrist zu überschreiten. Pressemitteilung der AOK Bayern
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