Heute habe ich einen verständlich aufbereiteten Happen aus der Welt der Wissenschaft für Sie – gerade recht zur Vorweihnachtszeit und zur Zeit des Schlemmens und Genießens. Die Aussicht auf das Fest und seine Genüsse möchte ich Ihnen natürlich nicht madig machen. Doch zeigt die Studie, dass es sich trotz der vielleicht aufkommenden Einwände der Verwandtschaft […]
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Zweifel an Wachkoma-Geschichte (Update 12)
Die Medien überschlagen sich seit Tagen bei der Berichterstattung über Rom Houben, der 23 Jahre lang bei vollem Bewusstsein fälschlicherweise für einen Wachkoma-Patienten gehalten worden sein soll.
Nun werden im Internet kritische und sehr ernstzunehmende Stimmen laut, darunter James Randi, die die ganze Geschichte für einen Hoax halten, vielleicht mit der Absicht dahinter, im Nachgang auch finanziell von dem Medienrummel zu profitieren.
Skeptiker halten das Verfahren der “Gestützten Kommunikation” (facilitated communication) mittels einer Hilfsperson, über das Rom Houben mit seiner Umgebung kommunizieren soll, für ausgesprochen fragwürdig. Videos des Vorgangs sollen darüberhinaus den Eindruck vermitteln, dass die Äußerungen von Rom Houben alleine der Fantasie der Hilfsperson entspringen.
Das Blog Plazeboalarm hat mehrere interessante Quellen zusammengestellt.
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Update: Im Internet-Magazin Wired meldet auch ein Bioethik-Experte Zweifel an:
Update 2: Der Ausgangspunkt für die weltweite Berichterstattung über den Fall scheint eine Exklusivstory im aktuellen “SPIEGEL” zu sein.
Update 3: Vermeintlicher Wachkoma-Patient plant Buch über sein Schicksal. Wäre das nicht vielleicht was für den DuMont-Verlag?
Update 4: Die Videos sprechen eigentlich für sich. Im Spiegel-Video führt die “Sprachtherapeutin” den Finger von Rom Houben rasend schnell über die Tastatur, während seine Augen geschlossen sind. Im CNN-Interview sind seine Augen zwar geöffnet, sein Blick aber nicht auf die Tastatur gerichtet (gut zu sehen z.B. ab 2:08).
Update 5: Im Interview mit CBS tippt Rom Houbens “Sprachtherapeutin” mit Hilfe seines Fingers einen 6 Zeilen langen Text fehlerfrei ein, während seine Augen geschlossen sind. (via)
Update 6: Auch in einem weitgehend ungeschnittenen Interview auf Flämisch wirkt das Prozedere nicht wesentlich überzeugender.
Update 7: Ich zitiere zum Abschluss James Randi:
füge hinzu: “and journalists” und habe für meinen Teil genug von dieser Geschichte gesehen.
Update 8, 26.11.: Aus einem Blog der New York Times:
Update 9: Der Arzt, der diese Geschichte ja ganz offenbar über den SPIEGEL lanciert hat und dann die Kamerateams aus aller Welt in einer langen Schlange zu “Interviewterminen” am Patienten vorbeigeführt hat, Steven Laureys, hat immerhin Humor:
Hallo, liebe Journalisten, tock tock, jemand zu Hause?
Update 10, 27.11.: Die belgische Zeitung “De Standaard” berichtet – vermutlich als erstes Printmedium – kritisch über den Fall. Laureys zeigt sich dünnhäutig:
Mein Flämisch ist verbesserungsfähig, aber Laureys hat offenbar “keine Lust”, diese Diskussion zu führen, weil diese nicht eine Frage von Glauben sei, sondern eine Frage von medizinischen Fakten. Die Scans würden beweisen, dass Houbens Hirnaktivität “vollständig intakt” sei. Dass das die Menschen nicht überzeugen könne… Über die Kommunikationsform möchte er nicht sprechen.
Was für eine traurige Farce.
Update 11: Nach meinem Eindruck basieren die zahllosen Medienberichte über die angeblich unzähligen falsch diagnostizierten Wachkomapatienten (“30 Prozent”, “bis zu 43 Prozent”, “die Hälfte”!), die im Zusammenhang mit diesem Fall durch die Presse gegangen sind, und die den Angehörigen solcher Patienten schlaflose Nächte bereitet haben dürften, nahezu ausschließlich auf unbelegten Behauptungen von dieser Figur, Laureys.
[Edit: Es gibt wohl mindestens eine weitere Forschungsgruppe, die von ähnlichen Zahlen spricht. Aus dem Spiegel-Artikel:
Was genau eine “falsche” Diagnose ist, wäre da natürlich noch zu prüfen. (Danke, Marcus)]
Update 12: Laureys tat sich bislang offenbar schwer mit der Finanzierung seiner Forschungen:
One reason why studies of MCS and PVS patients receive inadequate funding, said Giacino, is therapeutic nihilism, which is the “idea that these are people who are beyond help”. Laureys blamed the word ‘vegetative’, noting that comparing patients to a vegetable implied that they “will never get out of this [condition]”.
Hätte er einen Fall wie Houben nicht gehabt, dann hätte er ihn vielleicht erfinden müssen.
Links zum Wochenende (15.1.2010)
Wie immer entsprechen die hier verlinkten Beiträge und Zusammenfassungen nicht zwangsläufig der Meinung des Autors. Ich wünsche Ihnen ein wundervolles Wochenende!
Die Zukunft der modernen Krebsmedizin könnte im Einsatz bestimmter Bakterien liegen. Die ZEIT berichtet in einem vierseitigen Artikel über aktuelle Erkenntnisse und Ansätze in der Therapie
Bildquellen
Ratón. Mouse von José Antonio López (@sxc.hu)
Verheugen geht – Suche nach Informationen bleibt
Kein TV-Magazin ohne Pharmathema. Gestern nahm sich Frontal21 der Lockerung des Werbeverbots für rezeptpflichtige Arzneimittel an. Die EU-Kommission unter Federführung des EU-Industriekommissars Günter Verheugen plant die Informationseinschränkungen aufzuheben. Arzneimittelhersteller dürften dann direkt den Patienten über ihre Produkte informieren. Das Deutschlandradio hatte sich vor einer Woche mit den Plänen beschäftigt.
Erst einmal halte ich beide Beiträge für ein trauriges Stück Journalismus und für Irreführung der Zuschauer bzw. Zuhörer. Verheugens Pläne sind alles andere als neu. Anfang 2008 hatte er ein Konzept vorgelegt und zu Stellungnahmen aufgerufen. Die kamen zahlreich und zum überwiegenden Teil ablehnend. Im Oktober 2008 war er dann mit seinem Pharmapaket innerhalb der EU-Kommission gescheitert. Auch weil er strategisch unklug (oder zum Glück) die Lockerung mit einem faktischen Verbot des Parallelhandels verschnürt hat. Im Juni 2009 wird ein neues EU-Parlament gewählt und eine neue EU-Kommission gebildet. Um es mal deutlich zu sagen: Das Ding ist tot. Dagegen wird den Zuschauern suggeriert, dass es eine aktuelle Diskussion ist und die Entscheidung Spitz auf Knopf stünde. Dabei rechnen Insider und Experten aus Politik und Pharmaindustrie nicht vor 2011 mit einer Wiedervorlage.
Bei der Sache bin ich nicht so entschieden, wie die Autoren der Medienstücke. In beiden Beiträgen wird ein eine Tatsache bewusst ausgeklammert, an der in der Diskussion niemand vorbei kommt. Patienten wollen sich zunehmend informieren und machen dies schon. Nicht nur im Internet sind Medizin und Gesundheit Top-Themen. Auch für die Print-Verlage sind es Highlights im düsteren Überlebenskampf. Nicht zuletzt hat es seinen Grund, warum kein TV-Magazin ohne Medizinbeitrag auskommt.
Die Pharmaunternehmen argumentieren immer wieder mit den Zwei-Klasse-Patienten. Die einen könnten sich die englischsprachigen Infos im Internet zusammen suchen – die anderen wären auf die kargen deutschsprachigen Quellen angewiesen. Oder mit den Zwei-Klasse-Produkten. Hersteller von dubiosen Nahrungsergänzungs- und Naturheilmittel dürften ungeprüfte Informationen über das Internet, in Zeitschriften und über Experten wie Bankhofer verbreiten. Über zugelassene und in klinischen Studien geprüfte Arzneimittel sollte der Patient dagegen nichts erfahren.
Das ist so falsch nicht, wenngleich man die Absichten der Pharmaunternehmen kritisch hinterfragen muss.
An einer Novellierung der Bestimmungen, wie Information über Arzneimittel an den Patienten gebracht werden, führt kein Weg vorbei. Auch eine Folge der Medienrevolution und des Internets. Ob man es mag oder nicht, es geht nur zusammen mit den Pharmaunternehmen. Sonst wird die intransparente Grauzone mit gekauften Journalisten, Disease Awareness-Kampagnen und bezahlten Experten, die es heute schon gibt, weiter wachsen. Verheugens Pläne waren zu pharmafreundlich und haben gerechtfertigte Bedenken nicht berücksichtigt. Mit Verheugen und dem Richtlinienentwurf verschwindet jedoch nicht das Problem.