Gesundheitskarte: Kassen fehlinterpretieren Röslers Aussagen

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Grünes Licht für die elektronische Gesundheitskarte sehen die Krankenkassen derzeit – und berufen sich auf ein „klärendes Schreiben“ des neuen Gesundheitsministers Dr. Phillip Rösler. Ein Blick auf das Schreiben Röslers im Original, das der Redaktion nun vorliegt, zeigt jedoch deutlich: Die Befürworter der Karte interpretieren die Worte des Ministers nur in ihrem Sinne. Mit keinem Wort spricht er sich für eine Weiterentwicklung des Projekts aus.

Vielmehr bezieht er sich in dem Brief an seinen Amtskollegen in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, gezielt nur auf „die Funktionen der bisherigen Krankenversichertenkarte“, die nicht mehr kritisch gesehen werden müssten. „Daraus folgt, dass die von uns gemeinsam gewollte Überprüfung und Bewertung insbesondere des Geschäftsmodells und der Organisationsstrukturen der gematik unter der besonderen Berücksichtigung des Datenschutzes sich nicht auf diesen Teil bezieht“, ergänzt Rösler. Von einer Fortführung des Telematik-Projektes in der insgesamt geplanten Form spricht der Minister nicht.

Für Dr. Silke Lüder, Sprecherin der „Aktion Stoppt die e-Card“ ist damit klar: „Die Krankenkassen haben die Worte des Ministers falsch interpretiert. Herr Rösler hat mit keinem Wort geschrieben, dass er das Projekt der elektronischen Gesundheitskarte in der ursprünglich geplanten Form unterstützt. Es ist nicht die Rede von Stammdatenabgleich, Online-Anbindung oder den nicht identitätsgeprüften Passfotos auf der Karte. Es ist schon gar nicht die Rede von der geplanten bundesweiten ‘Krankendatei’ auf zentralen Servern, die von der FDP bisher klar abgelehnt wurde, zum Beispiel auch von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die jetzt Justizministerin geworden ist. Er hält lediglich die Funktionen der derzeit eingesetzten Krankenversichertenkarten für unkritisch.

In diesen Aussagen einen Startschuss für die Ausgabe der Karten in der Testregion Nordrhein zu sehen, sei völlig verfehlt. „Wir dürfen im Gegenteil nicht vergessen, dass im Koalitionsvertrag eindeutig steht, dass die Ergebnisse aus den Testregionen ausgewertet werden sollen. Wenn das so geschieht, wird das sicher zum Ende des Projektes führen. In den Testregionen sind nicht nur die administrativen Funktionen gescheitert sondern vor allem auch das elektronische Rezept und der jetzige Notfalldatensatz haben sich als völlig kontraproduktiv erwiesen.

Kritik übte Lüder auch an den Aussagen des Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs, der Zeitungen gegenüber gesagt hatte, dass „nun alle gesetzlichen Kassen in der Startregion Nordrhein mit der Ausgabe der neuen Karten an ihre Versicherten beginnen“ könnten. Damit verdrehe der Kassenchef die Tatsachen: „Erst 15 von über 180 Krankenkassen haben von der gematik die Zulassung erhalten, die Karte in der derzeitigen Version ausgeben zu dürfen. Von einer Aktion aller Kassen kann also nicht die Rede sein. Hier wird erneut kurz vor der Medica in Düsseldorf pressewirksamer Druck auf die Ärzteschaft ausgeübt, um das augenblickliche Hauptziel der Kassen zu erreichen: Alle Arztpraxen zwangsweise online ans Netz anzuschließen um die Verwaltungsarbeit der Kassen bei Datenänderungen kostenlos an die Arztpraxen abzudrücken. Damit wird zu Quartalsbeginn der faktische Zusammenbruch des Medizinsystems durch lange ‘online Antwortzeiten’ riskiert und die Privatsphäre von Patienten sowie die Schweigepflicht der Ärzte zerstört. Wir sehen im Moment, dass der Propagandaapparat der ‘e-health-Gemeinde’ funktioniert , davon sollte sich aber niemand täuschen lassen. Das Pleitenprojekt hat keine Chance“.

Das Schreiben Röslers im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Minister Laumann, lieber Herr Kollege,

für Ihre anlässlich meiner Amtsübernahme mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 ausgesprochenen Wünsche danke ich Ihnen. Gleichzeitig sprechen Sie in diesem Schreiben unser gemeinsames Anliegen des Aufbaus einer modernen und Datenschutzrechtlich unbedenklichen Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen an.

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie in der Region Nordrhein jede Verunsicherung auf Seiten der dortigen Kostenträger vermeiden möchten. Deshalb waren wir uns von Anfang an auch einig, dass die Funktionen der bisherigen Krankenversichertenkarte von uns in keinerlei Hinsicht kritisch gesehen werden müssen. Daraus folgt natürlich, dass die von uns gemeinsam gewollte Überprüfung und Bewertung insbesondere des Geschäftsmodells und der Organisationsstrukturen der gematik unter besonderer Berücksichtigung des Datenschutzes sich auch nicht auf diesen Teil bezieht. Zwangsläufig bleiben deshalb nach unserem gemeinsamen Verständnis auch alle Beschlüsse und Finanzierungsvereinbarungen der Selbstverwaltung hierzu unberührt.

Ich hoffe, mit diesen Klarstellungen dazu beigetragen zu haben, dass die notwendigen Maßnahmen in der Region Nordrhein auf der Basis unseres gemeinsamen Verständnisses ohne weitere Verunsicherung fortgesetzt werden können.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Philipp Rösler

 

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