Dicke Wollstrümpfe, Kittelschürze und Kopftuch: Die Patientin sieht aus wie einem Heimatfilm der siebziger Jahre entsprungen.
Sie kommt aus Einödshofen.
Einödshofen liegt hinterm Wald, etwa zehn Kilometer von Bad Dingenskirchen entfernt. Drumherum ist ziemlich viel Lanndschaft. Genau eine Straße führt in das Dorf hinein und das beste an dieser Straße ist, daß sie auch wieder hinausführt: hinaus in die große weite Welt, aber dorthin will niemand, der in Einödshofen wohnt.
Wer in Einödshofen wohnt, der bleibt dort.
Und weil es in Einödshofen keinen Arzt gibt, geht man auch nicht hin.
„Wissen Sie, ich war seit vierzig Jahren nicht mehr beim Arzt…,“ sagt die Endsiebzigerin, „und ich wäre auch heute nicht gegangen. Aber meine Enkelin meinte, ich sollte mal doch…“
„Was fehlt Ihnen denn?“
„Ja, der Bauch tut mir halt ab und zu weh…“
Ab und zu?
Seit Jahren schon!
Und immer so schlapp fühlt sie sich, und schwindelig ist ihr. Und abgenommen hat sie, über zehn Kilo im letzten halben Jahr.
Muss ich erwähnen, dass die Patientin eine ganz ungesunde gelbe Gesichtsfarbe hat?
Muss ich erwähnen, dass die Leber so stark vergrößert war, dass man sie nicht nur fühlen sondern fast schon durch die Haut sehen kann?
Muss ich erwähnen, dass die Patientin ein fortgeschrittenes und mehrfach metastasierendes Dickdarm-Karzinom hat?
Morgen oder übermorgen werden wir sie wieder entlassen.
Zurück nach Einödshofen.
Zum Sterben.