Adventliche Besinnlichkeit – ob ich will oder nicht

Jetzt ist wieder Adventszeit – und wer es nicht wahr haben möchte, wird so lange mit vorweihnachtlichem Getöse bombardiert, bis auch er es glaubt: Jetzt ist wieder Besinnlichkeit und Nostalgie angesagt, jetzt müssen wir die Tage bis Weihnachten zählen (notfalls mit Adventskalender), Weihnachtslieder in allen schönen und schrecklichen Varianten anhören und mit leuchtenden Augen erzählen, was wir an heilig Abend, dem wichtigsten Abend im Jahr, machen werden.

Als ich studiert habe, habe ich mit meiner Freundin Anti-Weihnachten gefeiert. Vielleicht finde ich zuhause noch ein Foto, wie wir mit unseren bunt gefärbten Haaren in einer Berliner Altbauwohnung auf dem Fußboden sitzen, dort auf einer ausgebreiteten Decke essen und KEINE Weihnachtslieder hören. Den späteren Teil des Abends sind wir dann durch die Straßen gezogen, und haben das gemacht, was alle gemacht haben, nachdem sie den Familienteil des Abends hinter sich gebracht haben – mit Freunden feiern und tanzen gehen.

Nur, mit Weihnachten hatte das tatsächlich nichts zu tun. Damit sollte ja nur zum Ausdruck kommen: Wir können uns frei machen von gesellschaftlichen Konventionen. Ehrlich gesagt bleibt einem manchmal auch fast nichts anderes übrig bei dieser Kommerzialisierung des “Weihnachts-Events”:

Gehe ich in den Supermarkt um die Ecke, dudelt “Kling, Glöckchen klingelingeling” in  penetranten Tönen aus dem Lautsprecher, sodass ich fast den Einkaufswagen stehen lasse und wieder kehrt mache. Der Briefkasten quillt über mit Briefen von Hilfsorganisationen, die an mein vorweihnachtliches Mitleid apellieren und gerne Geld für Kinderdörfer, Behinderten-Einrichtungen,  Straßenkinder- und Hebammen-Projekte und bedürftige Nachbarn in Deutschland haben möchten. Auf dem Heimweg schiebe ich jeden Tag mein Fahrrad über den adventlich erleuchteten Weihnachtsmarkt, der von Touristen überquillt, die mich wiederum mit bösen Blicken taxieren (wie kann sie nur so rücksichtslos sein und mit dem Fahrrad auf den Weihnachtsmarkt kommen? Sorry, das ist nun mal mein Heimweg!). Und es klimpern die Münzen und die Leute essen, als wäre es das letzte Mal.

Die Schaufenster der Kaufhäuser und Ladenzeilen gemahnen mich mit ihren überladenen, rot-gold-glitzernd geschmückten Auslagen daran, dass ich noch lange nicht alle Weihnachtsgeschenke für meine Lieben habe. Ein Handy für die eine Tochter, IPod-Touch für die andere Tochter (nein, ein IPhone gibt es nicht!), ein Plattenspieler, der die Lieblingsplatten des Göttergatten in mp3-Dateien umwandelt, ein Seidenschal für Mama, ein Buch für die Schwiegermutter, ein weiteres Buch für den Schwiegervater und für die Brüder ….

Und was hat das alles mit Weihnachten zu tun? Nichts! Alles nur Zwang und gesellschaftliche Konvention. Mein zaghafter Versuch, die Weihnachtsgeschenke am Heiligen Abend abzuschaffen (außer natürlich für die Kinder) ist grandios gescheitert. Am Ende saß ich da, mit den nett ausgesuchten Geschenken meiner Brüder auf dem Schoß und mit fürchterlich schlechtem Gewissen, selbst mit leeren Händen dazustehen.  Das war das letzte Mal, dass ich den Versuch unternommen habe, den weihnachtlichen Ablauf ändern zu wollen.

Und genau aus diesem Grund gibt es auch bei uns einen Adventskalender: http://viamedici.froheweihnacht.info/, mit dem ihr die Tage bis Weihnachten besser rumkriegt :-)

Und um dennoch wenigstens in der Phantasie ein wenig das ursprüngliche Weihnachtsgefühl aufkommen zu lassen, zitiere ich unten ein Gedicht von Eichendorff, das ich gestern aus dem Adventskalender meiner Töchter gezogen habe. Wer’s nicht mag, hört einfach schon hier auf zu lesen. Lasst euch die Adventszeit nicht durch das Getöse und Geklimper verleiden, sondern gebt den Dingen eure Aufmerksamkeit, die es verdient haben oder die euch weiterbringen.

Uli

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen
still erleuchtet jedes Haus
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt
Tausend Kinder stehn und schauen
sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld,
hehres Glänzen, heilges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
aus des Schnees Einsamkeit
steigts wie wunderbares Singen –
Oh du gnadenreiche Zeit!

Joseph von Eichendorff

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