Nachdem nun heute schon die dritte Kerze am Adventskranz angezündet worden ist (Kinners, wie die Zeit vergeht!) blättere ich nach dem Frühstück ein wenig in dem Stapel der medizinischen Junkmail, welche es im Laufe der Woche in meinen Briefkasten oder Klinik-Postfach geschafft hat.
Passend zur Jahreszeit ist da eine Überschrift, die mich nachdenklich macht.
„Beten Sie mit Ihren Patienten? Mut zur Spiritualität“ (Es handelt sich um die MMW, welche online nur nach komplizierter Registrierung verfügbar ist, daher verzichte ich an dieser Stelle auf einen Link)
Es geht um die Betreung Schwerstkranker und Sterbender. Diese Patienten würden von seelsorgerischer Betreuung profitieren – und warum sollten wir Ärzte das nicht bieten können? Im Altertum waren Ärzte ja eh oft gleichzeitig auch Priester.
Nun ja, ich weiß nicht.
Die Argumentation klingt schlüssig, aber meiner Ansicht nach ist Religion etwas sehr privates: An welchen Gott ich glaube (oder auch nicht) und auf welche Art ich bete geht zunächst einmal allein mich selbst etwas an. Meine religiöse Meinung einem anderen aufs Auge drücken zu wollen, und das noch im Rahmen der Ausübung meines Berufes gehört sich nicht. Das ist zumindest meine private Meinung, andere mögen das anders sehen.
Ausserdem kann ich ja prinzipiell nur mit denjenigen Patienten gemeinsam beten, die auch meiner eigenen Religionsgemeinschaft angehören: Ein strenggläubiger Moslem würde es wohl als Affront ansehen, wenn ein Christ ihm anbietet, gemeinsam zu beten – und umgekehrt. Religiös liberaler gesonnene Leute mögen das anders sehen, aber das weiß ich ja vorher nicht. Also setze ich mich mal lieber nicht in die Nesseln.
Und bleibe mal lieber auf professioneller Distanz. Also: Zuhören und Empathie zeigen ja, aber nicht weiter.
„Kuscheln mit Patienten“ ist ja schließlich auch eher ein No-Go.