Genau achtzehn Uhr fünfzehn ist es, als ich mal wieder in die Ambulanz gepiepst werde. Schwester Anna deutet mit einem wortlosen Kopfnicken auf den stämmigen Herrn im Wartezimmer.
„‘n bischen komisch ist er schon!“ sagt sie.
Ich schaue ihn an: Schnauzbart, graumeliertes Haar, offenbar Migrationshintergrund. Vor ein paar Jahren hätte man noch ‘Ausländer’ gesagt und meine Eltern hätten von ‘Gastarbeitern’ gesprochen, aber beides ist heutzutage bekanntlich nicht mehr politisch korrekt.
„Was will er denn?“ frage ich.
Schwester Anna zuckt mit den Schultern.
„Frag ihn doch selbst!“
Ich nehme die Karte, auf welcher Anna bereits die Personalien eingetragen hat in die Hand und trete ins Wartezimmer.
„Herr…“ – verdammtnochmal, diesen Zungenbrecher kann ich beim besten Willen nicht aussprechen, auch wenn das noch so politisch unkorrekt ist – „Also, würden Sie bitte hereinkommen?“
Der Patient schlurft ins Behandlungszimmer und läßt sich auf den Stuhl plumpsen.
„Doktor, ich brauche nur Spritze!“
„Was für eine Spritze denn?“
Er langt in seine Hosentasche und fördert eine Ampulle hervor.
„Mein Hausarzt gibt mir immer… aber ist in Urlaub!“
Ich nehme das Ding in die Hand. Es enthält eine rötliche Flüssigkeit.
„Was ist denn da drin?“
„Sehen Sie doch!“
Auf dem Glas prangen fremdartige Schriftzeichen.
„Tut mir leid, ich verstehe nichts… können Sie mir das vielleicht übersetzen?“
„Ich bin doch kein Doktor. Verstehe das auch nicht!“
„Ähem… wo haben Sie die Ampulle denn her?“
„Muss ich selber kaufen! Krankenkasse bezahlt nicht!“
„Aha… und wo haben Sie es gekauft?“
„Hier viel zu teuer. Hab ich von zu Hause mitgebracht!“
„Ähem ja…. und wozu soll die Spritze gut sein?“
„Weil ich mich immer so schlapp fühle!“
„Also… es tut mir leid, aber ich kann Ihnen leider keine Spritze geben, von der ich nicht weiß, was drin ist…“
„Aber wieso? Macht mein Doktor doch auch immer!“
Nun ja…