Heute also beginnt der Endspurt.
Heute und Morgen und Mittwoch. Und Donnerstag früh ganz besonders, dann kommen die dran, die übrig geblieben sind.
Also, Montag Morgen, frisch erholt vom Wochenende, gehts los auf die Visite und gleich im ersten Zimmer strahlt mich die neunzigjährige Oma Kowalski an:
„Und, Herr Doktor?“
Ich bemühe mich um fachlich-autoritäre Ausstrahlung.
„Guten Morgen, Frau Kowalski!“
„Guten Morgen, Herr Doktor, ich wollte eigentlich fragen, ob ich heimgehen darf!“
„Selbstverständlich, Frau Kowalski!“
Man sieht ihr an, dass sie mir am liebsten auf der Stelle um den Hals gefallen wäre, nur leider läßt ihre kaputte Hüfte das noch nicht zu.
Heute bin ich ein Star! Auch Frau Müller, Frau Maier, Fau Schulze und Frau Yilmaz wären mir gerne um den Hals gefallen.
Jenny schiebt das Wägelchen mit den Patientenakten ins nächste Zimmer. Herr Schuster, Herr Schneider und Herr Szymianokowski müssen noch bis morgen warten mit dem um den Hals fallen. Aber auch sie dürfen Weihnachten im Kreis ihrer Lieben verbringen.
Nur Jenny und ich dürfen das nicht.
Gestern, beim zweiten Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt haben wir nämlich festgestellt, dass wir beide Leidensgenossen sind:
Den heiligen Abend werden wir wohl in diesem unserem Stammlokal verbringen, hier oben auf Station zwo.