Hermione lernt… Die Hypothermie

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Unterkühlung und Erfrierung? Los gehts mit der Unterkühlung:

Hypothermie

Hypothermie bezeichnet das Absinken der Körperkerntemperatur unter 35°C (zur Erinnerung: normal sind 37°C).

Wie kommt es zur Hypothermie?

Jeder kann sich vorstellen, dass es bei den aktuellen Wetterverhältnissen (bei mir sinds aktuell -3,5°C, es ist nass vom Schnee und sehr windig) schnell zur Unterkühlung kommt. Aber nicht nur niedrige Außentemperaturen in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit und Wind führen zur Hypothermie.
Wir alle haben schonmal beim Schwimmbadbesuch im Hochsommer vor Kälte gezittert, weil wir durch den langen Aufenthalt im Wasser viel Körperwärme verloren haben. Nassgeschwitzte Kleidung führt ebenfalls zur Hypothermie. Und auch in unserem warmen Zuhause kann es dazu kommen, wenn wir längere Zeit hilflos, vielleicht sogar bewusstlos auf dem kalten Boden liegen (wer eine Fußbodenheizung hat, darf sich glücklich schätzen – zumindest noch solange, bis ich den Artikel über hypertherme Schäden fertiggestellt habe *g*).
Außerdem gibt es gewisse Erkrankungen und Verletzungen, die eine Hypothermie begünstigen. Neben der Bewusstlosigkeit seien hier Verbrennungen (ja, ohne Witz!), Schock, Alkoholgenuss/-missbrauch und die Hypoglykämie, also die Unterzuckerung, genannt. 

Die Hypothermie lässt sich in vier verschiedene Stadien aufteilen, die sich in unterschiedlichen Symptome äußern (wer hätte das gedacht!):

Abwehrstadium (Exzitation)

Die Körpertemperatur sinkt unter 35°C. Der Körper versucht, dem durch Wärmeerzeugung entgegenzuwirken. Dadurch kommt es zum typischen Muskelzittern und zur Unruhe. Außerdem schränkt der Körper die Durchblutung der Extremitäten durch Vasokonstriktion ein, um weitere Auskühlung zu verhindern und den Körperkern warm zu halten. Das Herz schlägt schneller (Tachykardie), und durch die Vasokonstriktion kommt es auch zu einer Hypertonie, also einem gesteigerten Blutdruck.
Auch die Atmung ist reflektorisch stark beschleunigt, da durch den erhöhten Muskelstoffwechsel mehr CO2 produziert wird, dass durch eine Hyperventilation vermehrt abgeatmet werden kann. Durch das Muskelzittern steigt auch der Sauerstoffverbrauch stark an und kann viermal so hoch sein wie der Grundverbrauch. Die erhöhte Muskelaktivität erhöht auch den Glykogenverbrauch.
Hypothermie führt also zur Hypoxie, zur Azidose und zur Hypoglykämie. 

Erschöpfungsstadium (Adynamie)

Wenn die Körpertemperatur weiter absinkt und Werte unter 34°C erreicht, lässt das Muskelzittern nach, Gelenke und Muskeln werden steif und das Bewusstsein des Patienten trübt ein. Auch die Atmung, die Herzfrequenz und der Blutdruck nehmen ab: der Patient zeigt jetzt eine Bradykardie und Hypotonie, seine Atmung ist flach und unregelmäßig.
Bei Temperaturen unter 33°C ist sind bradykarde Herzfrequenzen typisch und die Gefahr von Herzrhythmusstörungen hoch. 

Lähmungsstadium (Paralyse)

Sinkt die Körpertemperatur unter 30°C, besteht Lebensgefahr für den Patienten, er wird bewusstlos und verliert seine Schutzreflexe. Er hat jetzt eine extreme Bradykardie, Bradypnoe (verlangsamte Atmung) und Hypotonie. Außerdem besteht jederzeit die Gefahr des Kammerflimmerns und damit des Herztodes.
Wenn die Körpertemperatur unter 28°C sinkt, ist die Sauerstoffabgabe im Gewebe beeinträchtigt.
Die Wirksamkeit von Medikamenten (z.B. Adrenalin im Rahmen der Reanimation) oder einer Defibrillation (Kammerflimmern!) ist bei Körpertemperaturen unter 28°C außerdem nicht mehr gewährleistet. 

Scheintod (Vita minima, Vita reducta)

Unter 25°C reagiert der Körper nicht mehr auf Schmerzreize, die Pupillen sind weit und lichtstarr und der gesamte Organismus bewegt sich auf dem untersten energetischen Niveau. Der Patient hat eine Bradypnoe oder Apnoe (Atemstillstand), und eine Asystolie (Herzstillstand) oder Kammerflimmern, sein Blutdruck ist also nicht messbar.

Maßnahmen

Neben der Überprüfung und Sicherung der Vitalfunktionen ist die Vermeidung eines weiteren Wärmeverlusts wichtig. Dazu muss eine möglichst schonende Rettung aus der Kälte erfolgen; die Körperlage des Patienten darf möglichst nicht verändert werden. Anderenfalls könnte es zu einer Umverteilung des kalten Blutes aus der Körperperipherie zum Körperkern hin kommen, was eine weitere Temperatursenkung um bis zu 3°C zur Folge hätte. Dieser nachträgliche Abfall der Körperkerntemperatur wird als After-Drop bezeichnet und kann schlimmstenfalls einen reflektorischen Herz-Kreislaufstillstand auslösen, den sogenannten Bergungstod.

Kann der Patient an einen warmen und windstillen Ort gebracht werden, wie z.B. dem beheizten RTW, wird nasse Kleidung vollständig entfernt; sollte das nicht möglich sein, wird die Kelidung natürlich nicht vollständig entfernt, sondern nur soviel, wie für die Versorgung vor Ort dringend notwendig ist. Verbleibt der Patient (aus welchen Gründen auch immer) in einer Umgebung mit niedrigen Temperaturen, wird er eng in die Rettungsfolie eingewickelt, um weitere Auskühlung zu verhindern.

Durch den gesteigerten Sauerstoffverbrauch bei einer Hypothermie ist eine Sauerstoffgabe von 6-8l/min über Nasensonde oder Maske notwendig. Außerdem ist eine lückenlose Überwachung der Herz-Kreislauffunktionen wichtig, da die Hypothermie zu Herzrhythmusstörungen führen kann. EKG und regelmäßige Messung von Puls und Blutdruck sind hierfür geeignet. Da es aufgrund der gesteigerten Muskelaktivität im Abwehrstadium häufig zu einer Hypoglykämie kommt und die Hypoglykämie auch selbst Ursache für die Hypothermie sein kann, muss außerdem bei jedem unterkühlten Patienten der Blutzucker gemessen werden.

Erweiterte Maßnahmen wären die Anlage eines periphervenösen Zugang und die Infusion von möglichst auf 40°C erwärmten Plasmaexpandern (kolloide Infusionslösungen) zur Steigerung des Blutdrucks und zur schonenden Wiedererwärmung des Patienten. Höhere Temperaturen der Infusionslösung sind allerdings zu vermeiden, da sonst die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zerstört werden könnten (Hämolyse).

Wichtig: No one is dead until warm and dead – die Reanimation bei hypothermen Patienten ist solange durchzuführen, bis er wieder auf Normaltemperatur gebracht wurde. Erst dann kann der Tod zweifelsfrei festgestellt werden. Warum? Ganz einfach, wie wir bereits gelernt haben, sind die Körperfunktionen bei tiefen Unterkühlungen stark eingeschränkt, dadurch kann nicht beurteilt werden ob ein Patient tot ist oder sich „nur“ im Stadium des Scheintods befindet. Außerdem bewirkt eine Hypothermie durch den stark eingeschränkten Stoffwechsel auch einen verminderten Sauerstoffverbrauch im Gewebe, unter anderem auch im Gehirn. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein hypothermer Patient bei einem Herz-Kreislaufstillstand neurologische Schäden davonträgt, geringer als bei normothermen Patienten. Kälte wirkt also neuroprotektiv und wird deswegen inzwischen auch nach Reanimationen bewusst eingesetzt, um das neurologische Outcome zu verbessern.
Ha, damit habe ich jetzt auch gleich einen zweiten „Ich erklär das später“-Punkt aus meinem RS-Prüfungs-Artikel abgearbeitet. *g*

Die Möglichkeiten, einen Patienten vor Ort im Rahmen der Notfallversorgung zu erwärmen, sind also stark eingeschränkt.
Wie wird der Patient nun in der Klinik wiedererwärmt?

Da bieten sich verschiedene Möglichkeiten an.

Am häufigsten wird die Spontanerwärmung des Patienten genutzt. Durch ganz normale Stoffwechselaktivität ist bei guter Isolierung gegen Wärmeverlust ein Temperaturanstieg von 1°C pro Stunde möglich. Ja, das ist verdammt wenig. Außerdem hat diese Methode einen sehr hohen Sauerstoffverbrauch zur Folge (wir erinnern uns, bei Kältezittern ist der Sauerstoffverbrauch vierfach erhöht!).

Dann gibt es noch die Möglichkeit, den Patienten in einem Warmwasserbad wiederzuerwärmen. Das Problem hierbei ist, dass durch es durch die sehr schnelle Wiedererwärmung der Peripherie zu einem Rückstrom kalten Blutes und saurer Stoffwechselprodukte (aus der minderdurchbluteten Peripherie) zum Körperkern kommen kann, außerdem durch eine orthostatische Regulationsstörung zur Bewusstlosigkeit (in etwa vergleichbar mit einer Synkope *räusper*, bei der das Blut durch Regulationsstörungen in der tiefen Peripherie versackt und somit zu einer Minderdurchblutung des Gehirns führt) und Herzrhytmusstörungen.

Eine weitere riskante Methode wäre die lokale Wärmebehandlung, zum Beispiel mit Wärmestrahlern und Wärmflaschen. Diese Methode birgt die Gefahr von Hitzeschädigungen (also Verbrennungen) an der schwach durchbluteten Haut, weil durch die eingeschränkte Durchblutung die lokale Wärme nicht so gut auf den restlichen Körper verteilt und damit abgeschwächt  werden kann wie bei normal durchbluteter Haut.

Eine gefahrlose, wenn auch langsame Methode ist die künstliche Beatmung mit angewärmter Atemluft. Hier werden ebenfalls nicht mehr als 1°C pro Stunde erreicht.

Die Methoden der invasiven Wiedererwärmung sind am effektivsten und schnellsten. Hier stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:

Bei der Peritoneallavage wird der Bauchraum mit 40°C warmer Dialyseflüssigkeit gespült.
Ich hab da mal ein Video rausgesucht : )

Weitere Möglichkeiten der invasiven Wiedererwärmung wären die Hämodialyse (die wir vom Nierenpatienten kennen) und die Wiedererwärmung mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine (dies ist die schnellste Methode).
 

…und jetzt entschuldigt mich, ich muss schnell einen Liter heißen Tee organisieren…

Wie immer gilt: wenn es etwas zu korrigieren oder hinzuzufügen gibt, bitte melden! : )

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