Nachdem wir jetzt wissen, was die Hypothermie bei uns anrichten kann und uns mit massenhaft Decken, Wärmflaschen und heißem Tee versorgt haben, hier der zweite Teil der Kältenotfälle:
Erfrierungen
Erfrierungen kennen wir alle. Jeder von uns hat mal mit bloßen Händen einen Schneemann gebaut, und wer schonmal einen ganzen Tag auf Skiern oder auf dem Snowboard verbracht hat, weiß auch wie grausam erfrorene Zehen sind (vor allem, wenn sie dann abends langsam wieder durchblutet werden – ahhh!!).
Um Erfrierungen zu verstehen, muss man den Aufbau der Haut kennen:
Wir sehen, dass die Haut in drei Schichten eingeteilt wird. Die Epidermis ist ein mehrschichtiges, verhorntes Plattenepithel, das heißt, dass die Hautzellen, die in der Keimschicht (bestehend aus dem Stratum basale und dem Stratum spinosum) gebildet werden und mit der Zeit nach oben wandern, absterben und so eine Schicht aus toten Zellen bilden.
In der Keimschicht liegen auch unsere Melanozyten, die für unsere Pigmentierung verantwortlich sind und bei Kontakt mit UV-Strahlung und bei Bildung von MSH (melanozytenstimulierenden Hormonen) im Hypothalamus vermehrt Melanin synthetisieren. Außerdem synthetisieren die Melanozyten unter Sonneneinstrahlung Vitamin D.
Die Epidermis selbst hat keine Blutgefäße.
In dem darunterliegenem Corium sind die Haarwurzeln mit den dazugehörigen Talgdrüsen und Muskelchen, Schweißdrüsen, Tastkörperchen angesiedelt. Hier liegen auch die Kapillare, die die untere Schicht der Epidermis versorgen, also wird die Epidermis vom Corium ernährt. Außerdem dient das Corium noch zur Befestigung der Epidermis.
In den tieferen Bereichen des Coriums liegt die glatte Muskulatur und die Blutgefäße, die für die Thermoregulation so wichtig sind.
Unter dem Corium liegt die Subcutis. Diese Schicht enthält Fettzellen und Bindegewebe, aber auch Nerven, größere Blutgefäße und Tastkörperchen.
Durch die Fettzellen spielt auch die Subcutis eine wichtige Rolle bei der Thermoregulation (und dient uns außerdem auch als Energiespeicher – wir kennen das ja, gerade jetzt nach Weihnachten…).
Daraus lassen sich die verschiedenen Funktionen der Haut ableiten; sie ist eine wasserabweisende Hülle, die unsere tieferen Schichten vor Verletzungen schützt, unseren Flüssigkeits- und Themperaturhaushalt regelt, uns vor Sonnenstrahlung schützt, die als Kontakt- und Sinnesorgan Informationen über die Welt da draußen gibt, Krankheitserreger draußen hält, …
Also richtig viele Aufgaben. *g*
Sie ist mit etwa 2m² unser größtes Organ und mit 17% des Körpergewichts auch ziemlich schwer.
Nachdem wir das alles wissen, können wir uns nun den Erfrierungen zuwenden.
Erfrierungen entstehen häufig an perioher gelegenen, ungeschützden Körperstellen, wie unseren Fingern und Händen, Zehen, und Füßen, der Nase, den Ohren, …
Wie auch schon bei der Hypothermie kommt es hier auf die Dauer der Kälteeinwirkung, der Temperatur und der Geschwindigkeit des Wärmeabfalls an. Außerdem ist bei Erfrierungen noch die Art der Kälteeinwirkung entscheidend: während kalter Wind relativ langsam schädigt, kommt es bei flüssigem Stickstoff quasi sofort zum Absterben.
Natürlich gibt es auch hier wieder Begleitumstände, die die Entstehung von Erfrierungen begünstigen; Alkohol und Bewusstlosigkeit gehören wieder dazu, weil sie zu einer Störung der peripheren Vasoregulation führen.
Aber warum kommt es denn überhaupt zu Erfrierungen?
Der Körper will den Körperkern vor der Auskühlung schützen und stellt deswegen die Gefäße in der Körperschale eng, um zu verhindern dass über das Blut zuviel Wärme verloren geht. Dabei kommt es zur Auskühlung und Minderdurchblutung der Peripherie, die zu einem Sauerstoffmangel und durch den verminderten Blutfluss zur Eindickung des Blutes führt.
Außerdem kommt es zu einer erhöhten Membranpermeabilität, dass bedeutet dass die Blutgefäße durchlässiger für Flüssigkeiten sind. Dadurch entstehen Ödeme, also Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe.
Erfrierungen werden in vier verschiedene Grade eingeteilt:
Erfrierungen 1. Grades
Bei Erfrierungen ersten Grades ist die Haut durch die Vasokonstrikion, also die Engstellung der Blutgefäße, weiß-bläulich marmoriert und wird beim Wiedererwärmen rot und sehr schmerzhaft.
Erfrierungen ersten Grades hinterlassen keine Folgeschäden, die Haut heilt narbenfrei wieder ab.
Erfrierungen 2. Grades
Bei Erfrierungen zweiten Grades kommt es zur Schädigung von Epidermis, Corium und Subcutis und dadurch zur Blasenbildung. Die Haut ist blau-rot und sehr kalt. Hier tritt bei der Wiedererwärmung Plasma aus dem Blut in das Gewebe und die Blasen aus, wodurch es zu schmerzhaften Schwellungen und den sogenannten Frostbeulen kommt.
Auch hier kann die Haut narbenfrei verheilen.
Erfrierungen 3. Grades
Erfrierungen dritten Grades gehen mit Hautnekrosen einher, das heißt, Teile der Haut sterben durch die schweren Durchblutungsstörungen ab. Es bilden sich mit Blut gefüllte Blasen, die Haut ist blass-bläulich verfärbt und zeigt stellenweise schwarz verfärbte Nekrosen. Da auch Nervenendigungen in der Subcutis zerstört werden, ist die Haut gefühl- und schmerzfrei.
Die Gefäße können sich bei der Wiedererwärmung nicht mehr weitstellen, weil durch die vorangegangene extreme Engstellung das Blut in den Körperregionen zum Stillstand gekommen ist und es dadurch zur Eindickung durch Gerinnung kam (Sludge-Phänomen), sich also in den Gefäßen eine Thrombose entwickelt hat. Die betroffene Körperregion stirbt ab.
Erfrierungen 4. Grades
Erfrierungen vierten Grades betreffen nicht nur die Haut, sondern auch das darunterliegende Gewebe (Muskeln, Sehnen, Knochen). Diese Gewebestrukturen werden komplett zerstört, es kommt also zu einer Totalnekrose. Erfrierungen vierten Grades werden auch Vereisung genannt. Die Haut ist blau-schwarz verfärbt.
Wie werden Erfrierungen behandelt?
Zu den Basismaßnahmen gehört eine langsame Erwärmung der erfrorenen Körperteile. Grundsätzlich geht man bei Erfrierungen auch von einer allgemeinen Unterkühlung des Patienten aus, die natürlich vorrangig vor den lokalen Schädigungen behandelt werden muss.
Erfrierungen werden wie Wunden behandelt und steril, trocken, warm und locker (!) verbunden. Es kommt dann zur Wiedererwärmung durch die eigene Körperwärme.
Unter gar keinen Umständen dürfen erfrorene Körperteile durch Reibung oder heißes Wasser wiedererwärmt werden, weil es dadurch zu einer Verschlimmerung des Schadens kommt.
Weil Erfrierungen sehr schmerzhaft sind, gehört die Schmerztherapie zu den erweiterten Maßnahmen, außerdem wird mit Thrombozytenaggregationshemmern (Acetylsalicylsäure) und Gerinnungshemmern (Heparin) der Thrombosebildung vorgebeugt.
So, das war’s soweit. Wie immer gilt: sollte ich irgendwo Schwachsinn geschrieben oder etwas vergessen haben, bitte melden.
Es ist schon spät, mein Gehirn ist auf stand-by und außerdem lerne ich das Ganze ja selbst erst. ; )
Wer copyrightfreie Fotos von Erfrierungen kennt: ich würde mich sehr über entsprechende Links freuen und die Bilder gern nachträglich in den Artikel einbauen.