bei uns ist der notdienst komplett kinderarztpraxiszentriert, ich hatte das schon mal erzählt, d.h. die niedergelassenen kinder- und jugendärzte sind 24/7 für ihre patienten erreichbar und organisieren ihren notdienst unabhängig von den kinderkliniken oder den notdiensten der allgemeinmediziner. da erreichen einen dann schon ab und zu interessante anfragen.
telefon bei kinderdok, zeit irgendwann jenseits 22 uhr.
ich: „kinderdok, guten abend.“
vater: „ja, ´nabend, ich bring ihnen jetzt mal noch meinen sohn zum untersuchen vorbei.“
ich (seit zwei stunden nicht mehr in der praxis, aber per telefon erreichbar): „guten abend, wie ist denn ihr name?“
vater: „äh, meier-müller-schulze. sie haben doch notdienst.“
ich: „ja. und was hat ihr sohn?“
vater: „na, dem gehts so richtig schlecht. also wirklich. war gestern schon bei ihrer kollegin in hoppelhausen. wegen erkältung.“
ich: „ok. hat die kollegin denn was verordnet?“
vater: „ja, schon, naja. so nasentropfen und was für fieber und was für´n husten. aber das wird ja nicht besser. dem gehts immer noch so wie gestern.“
ich: „wann hat´s denn überhaupt angefangen?“
vater: „na vorgestern, und gestern waren wir im notdienst da in hoppelhausen. den muss man jetzt nochmal anschauen, das wird ja nicht besser.“
ich: „ein bisschen dauern so erkältungen ja schon. wie alt ist denn ihr sohn?“
vater: „zwo´nhalb. das zeugs bringt doch nichts von der ärztin…“
ich: „für wunder sind andere zuständig. aber fieber hat er nicht? ein wenig brauchen so medikamente schon zum wirken.“
vater: „hab ich nicht gemessen. also der muss jetzt angeschaut werden.“
ich: „ok. ich kann ihn gerne anschauen, aber wahrscheinlich kann ich ihnen nach einem tag auch nichts anderes empfehlen als die kollegin.“
vater: „trotzdem. ich komm jetzt zu ihne in die praxis.“
ich: „alles klar. wenn sie meinen. viertelstunde? wissen sie, wo die praxis ist?“ (ich war schon zu hause, bin wieder hingefahren.)
vater: „jaja. hab ich navi.“
ich: „also bis gleich.“
vater: „mmh.“ klick.
—
szenenwechsel. ich in praxis. er mit kind halbe stunde später auch eingetroffen. murmelt was von navi nicht funktioniert oder strasse schwer zu finden etc. pp.
kind völlig übermüdet. augen klappen bei untersuchung zu. ziemlich verrotzt, ok, sonst aber eigentlich gut drauf, lässt sich ohne probleme untersuchen, was ich für die uhrzeit und das kranksein schon bezeichnend fand. keine bronchitis, keine ohrenentzündung oder rachen, alles ok soweit. fieber gemessen, 38,2 C.
ich: „na, dann. geben sie mal die medikamente der kollegin weiter. das passt dann schon.“
vater: „aber der braucht doch was anderes. das bringt doch nichts.“
ich: „ein bisschen brauchts schon. in zwei drei tagen ist der wieder auf´m damm.“
vater: „was? zwei drei tage? wenn ich sag, der braucht was anderes, dann braucht er was anderes.“
ich: „bin ich der doktor oder sie? das ist prima, was die kollegin aufgeschrieben hat, hätte ich auch getan, aber so haben sie doch alles, was er braucht.“
vater: „der braucht was anderes.“
ich: „wissen sie was? ihr sohn braucht vor allem schlaf. um die uhrzeit außerhalb vom bett wird er sicher nicht gesund. denken sie nicht auch? was war denn heute im laufe des tages?“
vater: „weiß nicht, war auf arbeit. der war die ganze zeit zu hause. hatte schnupfen. sind nicht raus, die mutter und er.“
ich: (pfui, ich zyniker:) „na, dann kam er wenigstens jetzt mal an die frische luft.“
vater: „also krieg ich nichts?“
ich: „ihr sohn hat alles, was gut ist und ihm hilft. geben sie der sache mal ein bisschen zeit.“
vater: „dann hätte ich mir das hier ja auch sparen können.“
ich: „ja. aber das habe ich ihnen schon am telefon versucht zu sagen. erkältungen brauchen nunmmal ein bisschen.“
vater: „na prima. und ich dachte, sie helfen meinem sohn.“
und das war dann doch zuviel. manchmal redet man ja aneinander vorbei. und manchmal ist man sicher abends um 22 uhr nicht mehr ganz so frisch. und manchmal verschleihert die sorge den realistischen blick. und manchmal ist das nonverbale geschehen eindeutiger als das gesprochene, aber manchmal sind die dinge auch einfacher, als man sie immer sehen will. ich habe ihm wortlos die versichertenkarte gereicht und ihn freundlich zur tür gebeten. dem jungen habe ich gute besserung gewünscht, aber der war schon auf dem arm vom vater eingeschlafen. der glückliche.