Der Vormittag war noch hektisch: Die letzten auf den allerletzten Drücker noch heimgehen-Woller.
Quengel hier, quengel dort. Darf meine Tochter mich abholen? Natürlich gerne, aber wie mache ich es dem alten Herrn begreiflich, dass die Tochter ihn gar nicht abholen will? Weil sie nämlich irgendwo in Burkina Faso oder Usbekistan lebt, was der Vater aufgrund seiner Demenz allerdings noch nicht mitgekriegt hat. Aber es gibt auch die Angehörigen, welche um die gleich Ecke wohnen und ganz froh sind, dass Opa derzeit im Krankenhaus liegt und sie sich nicht um ihn kümmern brauchen, auch wenn der eigentlich – rein medizinisch gesehen – durchaus heimgehen könnte und auch möchte, aber da ist es dann für alle Seiten besser, wenn ich mal ein strenges Gesicht mache, mit ernstem Blick erst in die Krankenakte schaue und dann zum Patienten und dann langsam bedauernd den Kopf schüttele, tut mir leid, Herr Schulte, Sie müssen leider noch ein paar Tage hier bleiben.
Nur Fusel-Franze strahlt. Dem geht es gut. Vorhin hat er bei uns sein jährliches Bad genossen, eine ganze Stunde lang war die Badwewanne blockiert (natürlich hätte er auch im eigenen Zimmer duschen können, aber das ist ja doch nicht dasselbe). Wir halten uns auch mit Pieksereien und unangenehmen Untersuchungen zurück und machen nur gerade genug Diagnostik um den Wellness-Aufenthalt vor der Krankenkasse irgendwie rechtfertigen zu können.
Gegen Mittag tauchten dann Schwärme von Angehörigen auf und spätestens um halb vier waren sie alle wieder verschwunden. Dann hatten wir noch einen Zugang – ältere Dame aus dem Altenheim mit akutem Schlaganfall, war völlig zerknirscht dass sie die Feiertage in unserem gastlichen Haus verbringen muss – und dann wurde es plötzlich ganz ruhig.
Und so soll es auch bleiben. Ich sitze im Schwesternzimmer mit Gaby, Paula und Jenny zusammen, trinke Kaffee und knabber Weihnachtskekse.
Heute Abend habe ich mich mit Jenny im Dienstzimmer zum Fernsehen verabredet.
Bin mal gespannt, ob wir den Kitsch-Film zu Ende schauen können.