Ein sehr interessantes (englisches) Interview mit zwei der angesehendsten Experten in der Anti-Aging-Forschung: Aubrey de Grey und Dan Buettner.
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Rezension und Rezeption des Wunderheiler-Artikels
Zu dem Wunderheiler-Beitrag im SZ-Magazin hatte ich dem Autor Werner Bartens, leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung, eine E-Mail geschrieben, in der ich näheres über die Studien wissen wollte, die Werner Bartens als Fakten in dem Artikel beschreibt.
Meine Recherchen waren relativ erfolglos, daher erhoffte ich vom Autor Details zu erfahren.
In der Zwischenzeit hatte mein Mitblogger hockeystick ein Posting verfasst, in dem die fehlende Distanz des Artikel im SZ-Magazin kritisiert und die Interessen des im SZ-Magazin gefeierten “Wunderheilers” hinterfragt worden sind.
Als Reaktion erhielt ich eine E-Mail von Bartens, mit dem Vorwurf, “mein” Text sei mit Häme und unredlichen Vorwürfen durchsetzt. Auf meine Frage nach den Studien wird nicht eingegangen. Mal abgesehen davon, dass Werner Bartens offensichtlich nicht verstanden hat, dass es hier zwei Blogger gibt, verweist er darauf, im Posting unsauber zitiert worden zu sein, und stellt klar, dass sein Artikel vorsichtige Formulierungen enthält, wie etwa “womöglich”, “ahnt”, “ungewiss”, “helfen könnte”, usw. Es wird ein falscher Eindruck beklagt, ohne zu reflektieren, dass der Artikel im SZ-Magazin mit “Der Wunderheiler – Dieser Mann hat eine Salbe erfunden, die dem Körper helfen soll, sich selbst zu heilen. Fauler Zauber? Nein. Die Salbe wirkt” betitelt ist.
Das Posting war von hockeystick. Aufgrund der E-Mail habe ich mir eigene Gedanken über den Artikel gemacht. Wenn man sich den Beitrag von Bartens genau ansieht, ist es ein Meisterwerk subtiler Andeutungen. Das Wort “Wunder” dominiert, wird jedoch immer wieder halb zurückgenommen. Kaum einem Leser wird auffallen, dass beim Satz “Die Experimente im Labor wurden dutzendfach wiederholt, die Studien in Fachmagazinen publiziert, in denen sie nur erscheinen, wenn andere Kollegen die Untersuchungen begutachtet haben”, keine peer-reviewten klinischen Studien mit hoher Evidenz gemeint sind, sondern Laborexperimente an Gewebeproben.
Werner Bartens hat kein Problem damit, sich zu distanzieren: “Sollten die Erprobungen an Hunderten von Patienten ähnlich erfolgreich verlaufen wie die ersten Heilversuche…” – jedoch trotzdem am Ende eine Service-E-Mail-Adresse zu nennen, die den leidgeplagten Patienten Hoffung auf ein Wunder verspricht. Das geht Hand in Hand mit der Präsentation von Kinderschicksalen, die Aufmerksamkeit für das Thema erzeugen. Die emotionale Nähe ist bei Kinden gleich eine andere, als bei übergewichtigen, rauchenden, alten multimorbiden Diabetikern, bei denen durch die Therapie chronisch offene Wunden geheilt werden könnten.
Die Kritik an dem Blog-Posting verliert sich in Wortklauberei. Die Frage der Rezeption sollte jedoch für Journalisten das eigentliche Ziel der Arbeit sein. In SPON war letzte Woche ein Artikel, der beschrieben hat, dass Piloten in schwierigen Situationen nie “Sie brauchen keine Angst zu haben” den Passagieren erzählen sollten. Genauso sollten seriöse Wissenschaftsjournalisten nie das Wort “Wunder” benutzen. Erst recht nicht inklusive Wortkombinationen achtmal im Artikel. Die Reportage suggeriert Heilung für Patienten, die jegliche Hoffnung längst aufgegeben haben und sich an jeden Strohhalm klammern. Es kommen keine Patienten zu Wort, denen Baders Heilversuch möglicherweise doch nicht das Wunder gebracht hat. Für mich fehlt es bei Bartens in dieser Hinsicht an Verantwortung. Aus dieser kommt man auch mit geschickt gesetzten Konjunktiven nicht heraus.
Vollkommen ausgeblendet werden die ethischen Aspekte der “Heilversuche”. Medizinethiker sind sich einig, dass die ärztliche Diagnose- und Therapiefreiheit nicht von Forschern missbraucht werden dürfen, um zur Umgehung gesetzlicher Vorschriften Forschungsvorhaben als Heilversuch zu tarnen. Massgeblich ist die an objektiven Kriterien zu messende Zielrichtung des geplanten, immer streng einzelfallbezogenen Vorgehens. Steht allgemeiner Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft im Vordergrund, so ist immer Forschung gegeben und Heilversuch sind ausgeschlossen. Heilversuche dürfen daher nicht rechtsmissbräuchlich zum Verschleiern von Pilotstudien oder klinischer Forschung im Allgemeinen eingesetzt werden. Das wird in dem Artikel von Bartens nicht getrennt. Heilversuche, experimentelle Forschung und klinischer Einsatz werden munter durcheinander gebracht und zu einer Wunder-Sosse verrührt.
Der Artikel könnte ein schönes Beispiel für die Anwendung der Kriterien von Gary Schwitzer abgeben, mit denen bei HealthNewsReview.org die Qualität von Medizinlournalismus bewertet wird. Ganz grob:
Werden Kosten diskutiert?
Nein. Der Aufwand für künftige klinische Studien, die Herstellung des Heilmittels, oder organisatorische Voraussetzungen für die Therapie werden nicht erwähnt. Stattdessen wird irgendwas mit 250 Euro genannt – ohne Grundlage.
Wird der mögliche Nutzen abgeschätzt?
Nur an Einzelfällen ohne Berücksichtigung der Versorgungslage.
Werden Nebenwirkungen erwähnt?
Nein. Stattdessen wird immer wieder das Wort “Wunder” gebraucht und ob es auch erfolglose Heilversuche gibt, wird nicht hinterfragt.
Evidenz?
Experimentelle Studien, Heilversuche und künftige klinische Studien werden bunt durcheinander gewürfelt und der jeweilige Evidenzgrad nicht sauber getrennt.
Wird die Erkrankung überschätzt?
Bei einige Beispielen wird sicherlich die Situation des Patienten dramatisiert und progrediente Verläufe als typisch dargestellt.
Therapeutische Alternativen?
Spielen keine Rolle in dem Artikel. Wunder sind nun mal alternativlos.
Ist der Ansatz wirklich neu?
Nicht wirklich, wenn man sieht, dass seit 15 Jahren Gewebezüchtungs-Verfahren auch von anderen Einrichtungen und Unternehmen erforscht und klinisch getestet werden. Was im Artikel kein Thema ist.
Verfügbarkeit?
Bleibt vollkommen offen, aber trotzdem gibt es eine Service-E-Mail-Adresse.
Wer wirbt dafür?
Einzig alleine Bader wird vorgestellt, der ein persönliches und finanzielles Interesse an der Therapie hat.
Interessenskonflikte?
Die vielfältigen geschäftlichen Aktivitäten von Bader und seiner Frau rund um den Therapieansatz sind bei Bartens kein Thema.
Desaströs. Aber auch wenn man die Kriteren des Deutschen Presserates ansetzt, verletzt der Artikel im SZ-Magazin meiner Meinung die Ziffer 14 des Pressekodex.
Klära entfacht Begeisterungsstürme in Österreichs…
Österreichs Frauen erlebten in den letzten Wochen eine Werbeoffensive ohnegleichen, die sie von der neuen Verhütungspille Qlaira® (gesprochen “Klära”) des Pharmakonzerns Bayer Schering überzeugen sollte. Werbung für ein rezeptpflichtiges Medikament? So muss man jedoch die redaktionellen Artikel nennen, in denen die Antibabypille gefeiert worden ist. Journalismus war das nicht, sondern plumpe PR.
In der Frauenzeitschrift “Woman” wird das Medikament trendig als “neues Modell auf dem Markt” beschrieben und mit Handelsnamen genannt. Im Artikel kommen zwei Experten zu Wort. Dr. Claudia Linemeyer-Wagner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung, die schon früher in Pressemitteilungen von Bayer Austria auftreten ist, und Prof. Ludwig Wildt von der Uni Insbruck.
Die Gynäkologin erklärt, dass “die Neue” einige positive Effkte berge:
Alles Aussagen, die werblich sind, da sie die Indikation der Pille nicht betreffen, und aufgrund der dürftigen Studienlage und kurzen Erfahrung mit dem Kontrazeptivum spekulativ erscheinen.
In die gleiche Kerbe haut das Gesundheitsmagazin der Kronen-Zeitung. Hier ist es Prof. Doris Gruber, die von der Verträglichkeit, die positive Wirkung auf Haut und Haare und die kürzeren Blutungen schwärmen darf.
Glaubt man dem Bericht soll Qlaira® “so natürlich wie die Natur selbst” sein. Eine mutige Aussage dafür, dass für den Wirkstoff keine Eierstöcke ausgepresst werden, sondern er chemisch synthesisiert ist, also höchstens “naturidentisch”.
Bei soviel positiven Eigenschaften stellt sich die Frage, ob die Verhütung nicht eine erwünschte Nebenwirkung ist. Die Krone gibt die klare Antwort darauf:
Im Schlusssatz wird die Message noch mal leserinnenfreundlich für die Fastfood-Generation auf dem Punkt gebracht: Man braucht Äpfel nur mehr zu essen, wenn sie einem schmecken.
Für das Nachrichtenmagazin “news” tritt der “Top-Gynäkologe” Sepp Leodolter an – der hier im Blog schon zu Ehren kam. Leodolter erläutert die Erwartungen des Pharmamarketings an eine neue Verhütungspille: “Heute muss sie nicht nur möglichst keine Nebenwirkungen haben, sondern auch Zusatznutzen erfüllen”.
Gut, dass news die Vorteile von Qlaira® eindrucksvoll aufzählt: Gute Verträglichkeit mit besserem emotionalen Wohlbefinden, kürzere Blutungen, geringerer potentieller Libidoverlust, und erst am Ende die Verhütungssicherheit. Eine “Pille für alle”:
Bei soviel Schmäh darf “Apotheker Mag. pharm. Kurt Vymazal” nicht fehlen, unter dessen Namen in der Kronen-Zeitung einmal wöchentlich über rezeptpflichtige Medikamente anhand von Indikatioen geschrieben wird. Insidern zufolge eine äusserst beliebte Kolumne für Pharmaunternehmen, die gerne über den Umweg der hauseigenen PR-Agentur bezahlt wird.
Nach der sich überschlagenden Begeisterung in den anderen Printmedien eine verstörend nüchterner Text.
Der Anbiederung und dem Marketinggeschreibsel zu urteilen, scheint “Vymazal” ein auslaufendes Modell für die Pharma-PR zu sein.