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Die vertane Chance auf Patienten einzuwirken – was Patienten wirklich wollen
Als Patient geht man zum Arzt, wenn es wirklich gar nicht mehr geht. Man schildert die Symptome, lässt vielleicht eine schnelle Untersuchung über sich ergehen, erhält ein Rezept und verlässt die Praxis. Man schluckt brav seine verordneten Pillen, und hofft im Stillen, dass es bald besser wird. Und dass nicht bald schon die nächste Krankheit über einen hereinbricht. Niemand würde von einem Arzt in der Allgemeinpraxis heute mehr erwarten, als die Untersuchung und die Verschreibung. Vielfach wäre aber deutlich mehr nötig – wenn das aber angeboten wird, wird es höchst selten angenommen und geschätzt. Warum ist das so?
Blutdruck-Apps: "Black Boxes" mit unbekanntem Risiko
Derzeit können Verbraucher über 2.000 deutschsprachige Apps in den Kategorien Gesundheit & Fitness und Medizin in Google Play völlig kostenlos nutzen (1). Etwa zwei Prozent dieser Apps richten sich an Menschen, die ihren Blutdruck mit Hilfe einer App besser kontrollieren wollen. Wie gehen diese Blutdruck-Apps mit den persönlichen Daten ihrer Nutzer um? Sind die Gesundheitsinformationen interessengeleitet? Der Test von 29 Blutdruck-Apps im Mai 2015 zeigt, dass der Nutzer darüber in der Regel im Unklaren gelassen wird. Die Initiative Präventionspartner kommt zu folgenden Ergebnissen:
- Nur jede 10. App (3 von 29) informiert den Nutzer mit einem Datenschutzhinweis innerhalb der App über den Schutz bzw. die Verwendung der persönlichen Daten. Wichtig: Fast alle Apps (28 von 29) bieten die Möglichkeit, die Blutdruckdaten und andere persönliche Informationen der Nutzer in einem Tagebuch zu dokumentieren. Ohne Angaben zum Datenschutz bleibt es völlig unklar, was mit diesen Daten passiert.
Wer verbirgt sich hinter den kostenlosen App-Angeboten – Stichwort „Interessenkonflikt“?
- Nur jede fünften App (21 %) klärt mit einem Impressum über den Anbieter auf. Zwar nennen drei von vier Anbietern (72 %) eine E-Mailadresse oder eine Telefonnummer, der Nutzer kann in der Regel sein Feedback nicht an einen konkreten Ansprechpartner weiterleiten, sondern lediglich über ein Formular.
- Bei zwei Drittel der (62 %) getesteten Apps kann der Nutzer Rückschlüsse ziehen, wie sich die App finanziert, z. B. mit kostenpflichtigen Zusatzelementen oder Werbeeinblendungen. Konkrete Angaben zur Finanzierung macht nur eine der getesteten Apps.
Wer steht für die fachliche Richtigkeit der Gesundheits-Tipps und der Auswertungen der Blutdruckdaten, wie aktuell sind die Gesundheitsinformationen der App?
- Nur 3 von 29 Apps (10 %) informieren den Nutzer über die verwendeten Quellen. Zwei Apps (7 %) nennen den Autor der gesundheitsbezogenen Informationen, so dass der Nutzer dessen Qualifikation gegebenenfalls überprüfen kann.
Fazit: Nur eine der 29 getesteten Blutdruck-Apps informiert umfassend und macht Angaben zu allen Qualitäts- und Transparenzkriterien, mit denen Nutzer die Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit einer Gesundheits-Apps selbst einschätzen können. Die allermeisten Blutdruck-Apps sind im Hinblick auf Qualität und Transparenz als „Black Boxes“ einzustufen mit unbekanntem Risiko für den Nutzer: Ob man der App seine Daten anvertrauen will und den Auswertungen der Blutdruckdaten glauben kann, bleibt ungewiss.
Quelle: Health-App Dashboard (Stand: 10.06.2015): https://www.healthon.de/health-app_dashboard
Top 100 health-Apps: Wofür und wie häufig werden sie genutzt?
Die 100 TOP Gesundheits- bzw. Medizin-Apps im größten App-Store Google Play hat die Initiative Präventionspartner in ihrem aktuellen Screening untersucht. Was heißt in diesem Kontext Medizin- und Gesundheits-Apps? Häufig werden beide Begriffe synonym verwendet. Differenziertere Ansätze versuchen zu trennen: Angebote, die Ärzten und Pflegekräften den Berufsalltag erleichtern, sind demnach Medizin-Apps. Andere Definitionen bezeichnen Apps, die der Diagnose oder Therapie von Krankheiten dienen, als Medical Apps oder Medizin-Apps. Diese Apps unterliegen der Kontrolle des Medizinproduktegesetzes und müssen sich in Europa einem Konformitätsverfahren unterziehen zur CE-Kennzeichnung. Alle anderen nicht.
Die beiden großen App-Stores Google Play und iTunes kümmern sich nicht um diese Definitionen. Sie bieten für Apps mit Gesundheitsbezug zwei Kategorien an: “Medizin” und “Gesundheit & Fitness”. In welcher dieser Kategorien eine App vermarktet wird, entscheidet alleine der App-Anbieter, der damit den Erfolg und die Bekannheit seiner App steuern will und sich dabei u. a. mit folgenden Fragen beschäftigt:
- Wo wird meine Gesundheits-Apps besser gefunden von den Nutzern, die ich als App-Anbieter erreichen will? – Nutzerzielgruppe
- Wo ist der Wettbewerbsdruck geringer, d. h. in welcher Kategorie gibt es weniger Apps mit ähnlichem Leistungsprofil?
- Wie hoch sind die durchschnittlichen Download-Zahlen der Top-Apps in dieser Kategorie, d. h. wie groß sind meine Chancen, auf einem der vorderen Plätze in der Liste der Anzeigetreffer zu gelangen?
Vergleicht man nun die Downloadzahlen und Anwendungsgebiete der jeweils 50 TOP-Apps in den Kategorien “Medizin” und “Gesundheit & Fitness” direkt miteinander, so zeigt sich folgendes Bild:
- Deutliche Unterschiede in den Anwendungsgebieten:
- Fitness & Workout, Gewicht, Ernährung & BMI dominieren in der Kategorie “Gesundheit & Fitness”. 78 Prozent (39 von 50) der Top Apps in dieser Kategorie bieten Unterstüzung beim Workout (n=23) oder beim Gewichthalten bzw. beim Abnehmen (n= 16).
- In der Kategorie “Medizin” wird das Angebot bestimmt von Nachschlagewerken und Lexika (n= 15; 30%), die sich an Fachgruppen richten, aber auch von Apps zur Frauengesundheit (n=15; 30%), die das Thema “Pille”, “Schwangerschaft” und “Kinderwunsch” abdecken sowie von Apps mit Suchfunktionen (n=7; 14%), die das Auffinden von Ärzten, Apotheken oder Arzneimittelpreisvergleichen erleichtern. Auch Apps für Chroniker mit Tagebuchfunktionen zum Management von Blutzucker und Blutdruck (n=7; 14%) haben in dieser Kategorie einen hohen Stellenwert.
- Deutliche Unterschiede in der Anzahl der Downloads:
- Insgesamt repräsentieren die 50 Top Apps in der Kategorie “Medizin” zusammen ca. 10,8 Mio Downloads, während die 50 Top Apps in der Kategorie “Gesundheit & Fitness” für 665,7 Mio. Downloads stehen, das sind mehr als 60-mal soviele.
Wie lassen sich diese Unterschiede erklären?
- Gesunde App-Nutzer sind deutlich in der Überzahl. Sie suchen in der Kategorie “Gesundheit & Fitness” nach Angeboten, um sich attraktiv und fit zu halten, und finden diese dort auch in großer Zahl.
- App-Nutzer mit Gesundheitsproblemen bzw. chronisch Kranke gibt es im Vergleich dazu deutlich weniger. Sie suchen in der Kategorie “Medizin”, z. B. nach Apps, die den Zugang zu Ärzten oder zu Arzneimittelinformationen erleichtern oder mit denen sie ihren Krankheiten besser bewältigen können.
- Auch Heil- und Pflegeberufe sind eine vergleichsweise kleine Gruppe, was die niedrigeren Downloadzahlen (Lernhilfen, Nachschlagewerke und Lexika) erklärt.
FAZIT: Der Großteil der Apps für gesundheitsinteressierte Verbraucher findet sich in der Kategorie “Gesundheit & Fitness”. Patienten haben hingegen höhere Chancen, in der Kategorie Medizin eine passende Unterstützungshilfe zu finden, auch die Angebote für die Heilberufsgruppen finden sich vorwiegend, aber eben nicht ausschließlich, in dieser Kategorie.
Quelle: Initiative Präventionspartner. Top Health-Apps, kostenlose Angebote in den Kategorien “Gesundheit & Fitness” sowie “Medizin”, Google Play. Stand: 26.02.2015