Darf ein (werdender) Mediziner eigentlich krank werden? Klar, blöde Frage. Aber dieses Problem drängte sich mir so auf, als mich die letzten Tage meiner Weihnachtsferien dann doch noch eine Erkältung von den Beinen gehauen hat. Und wenn man an einer Praxistür liest „Wegen Krankheit geschlossen“ hat das doch irgendwie auch einen faden Beigeschmack, oder? Schließlich ist eine Arztpraxis ja normalerweise wegen Krankheit geöffnet… Ein kranker Mediziner – das ist wie ein Maurer in einem Holzhaus, wie ein kleptomanischer Polizist oder wie eine Familienministerin ohne Familie…
Zurück zu meiner verstopften Nase. Erste bange Frage: „Schweinegrippe?“ – Nein, die Symptomatik passt gar nicht. Trotzdem ist so etwas ja mal die perfekte Gelegenheit, anzuwenden, was man alles gelernt hat. Also mal schnell sämtliche Differentialdiagnosen abklären, die der Greten für eine laufende Nase zu bieten hat. Nachdem meine Freundin mir die Stanze für die Lymphknotenbiopsie allerdings im letzten Moment aus der Hand gerissen hat und unsere Radiologen das Dünnschicht-CT der Nasennebenhöhlen auch mit viel Überredung nicht machen wollten habe ich eingesehen, dass es sich vielleicht tatsächlich nur um eine langweilige Erkältung handeln könnte.
Damit kommen wir zum nächsten Problem: Was tun? Immerhin wissen wir ja wenigstens, was aus der Hausapotheke wofür oder wogegen helfen soll. Nun ist mir zwar bekannt, dass Placebo nicht viel hilft. Aber dafür gibt es ja „Placebo forte“ in Form von chinesischen Wurzelextrakten und homöopathischen Mixturen. Was viel kostet muss ja bekanntlich auch gut sein…
Nach dem entsprechenden Seminar weiß ich wenigstens, dass homöopathische Substanzen umso wirksamer werden, je mehr man sie verdünnt. Entsprechend habe ich mir einen Tropfen der Lösung in einer Literflasche Mineralwasser verschüttelt. So konnte ich davon regelmäßig ein paar Schlucke nehmen. Die Flasche mit der homöopathischen Mischsuppe hält auf diese Weise noch die nächsten Jahrzehnte! Aber so ist das halt: Von den Kügelchen, die Hahnemann damals zusammengebraut hat, sind immernoch welche erhalten. Und die sollen ja auch noch wirken!
Gerne nehme ich ja Ambroxol-Hustensaft. Ob der wirkt, weiß ich zwar auch nicht, aber zumindest habe ich das Gefühl, ein wenig von dem anwenden zu können, was ich in Pharmakologie mühevoll gelernt habe. Und was für Kinder zugelassen ist, kann mir ja auch nicht schaden, oder? Obwohl … Babybrei ist ja auch nicht das Ziel meiner kulinarischen Träume…
Überzeugt von der Wirkung bin ich dagegen bei der guten Hühnersuppe von Mama. Die hat mir schon geholfen bevor ich mit dem Studium angefangen habe. Dazu wahlweise eine Tasse heiße Milch mit Honig oder eine heiße Zitrone und ab ins Bett. Denn mal ganz ehrlich bei allem, was wir lernen: Nichts geht über eine Mütze voll Schlaf! Der kommt sowieso im Studium viel zu kurz.
Und an meine Praxistür würde ich schreiben: „Wegen Fortbildung geschlossen. Bin Erfahrungen sammeln.“ Denn Mediziner sollten nicht vergessen wie es ist, Patient zu sein.